Erica Pico II Modularsystem
Erica Pico System II Modularsystem

Erica Pico System II heißt ein Modularsystem des lettischen Herstellers Erica. Und der Name Pico ist Programm, das Ding hat wirklich kompakte Ausmaße und könnte auch als Desktop-Modularsystem bezeichnet werden.

Macht der Erica Pico System II nun dem gerade erschienenen Korg volca modular Konkurrenz, dessen Maße ähnlich sind? Die Frage kann man eigentlich verneinen, denn der Erica Pico System II spielt in einer anderen Liga und spricht auch ein anderes Klientel an, denn der Preis liegt bei über 1000 Euro.

Erica Pico System II Test – Der Aufbau

Der modulare Synthesizer kommt trotz seiner geringen Größe in einem sehr wertigen und gut verarbeiteten Chassis daher. Mit der schwarzen Bedienoberfläche und den hölzernen Seitenteilen könnte er auch zur Korg-minilogue-Familie gehören.

Erica hat es geschafft, in dem 42 HP-Gehäuse nicht weniger als 14 (vierzehn) Module unterzubringen, allesamt mit 3HP und 3 HE

  • Sequenzer
  • VCO
  • Voice
  • VCF1
  • Trigg
  • 2 x Drums
  • Multi
  • RND (random)
  • MOD
  • 2 x A-Mix
  • DSP
  • Output
Erica Pico II - Die Module; Foto Erica
Erica Pico System II – Die Module; Foto Erica

Und das alles im Eurorack-Format mit über 40 Patchpunkten mit 3,5 mm-Buchsen – geht also doch. Und weiter geht es mit dem Lobgesang. Man könnte jetzt erwarten, dass soviel Leistung auf so kleinem Raum mit einer vollkommen unübersichtlichen Bedienoberfläche einhergehen muss. Tut es aber nicht.

Ein „Hoch“ auf den Grafiker/Designer: Schwarze Oberfläche, gut lesbare weiße Schrift – vollkommender Verzicht auf optischen Schnickschnack, so muss es sein. Und weitere Übersicht sollten die vielen LEDs und die teilweise beleuchteten Regler schaffen, die sogar je nach Betriebszustand gedimmt werden bzw. rot, gelb oder grün leuchten. Zugegeben, die Bedienung der Potis ist ein wenig kleinteilig, aber das gilt für viele Eurorack-Systeme gleichermaßen.

Aber, wo Licht ist, da ist auch Schatten. So toll die oberste Bedienebene gelungen ist, so problematisch wird es bei den Modulen, die weitere Bedienebenen haben. Und da wird es aus meiner Sicht etwas skurril.

Konkret geht es um die Module Sequenzer, VCO, Voice, Drums, DSP und Trigger. Da hat es Erica geschafft, gleich mehrere verschiedene, ich sag mal: unorthodoxe „Anzeigesysteme“ zu verwenden:

  • Beim Sequenzer, der ja speicherbar ist, gibt es eine 7-Segment-LED – ist für mich wie MS-DOS.
  • Beim VCO, der 2 x 16 Schwingungsformen anbietet, gibt es vorsichtshalber gar keine Anzeige. Man sucht die Schwingungsformen nur nach dem Gehör aus.
  • Das Voice-Modul hat 9 verschiedene Modi, die über die Farbigkeit einer einzigen LED erkennbar sind. Um einen bestimmten Modus anwählen zu können, muss ich mir also die Farbtabelle einprägen. Wenn ich die darunter befindliche Buchse belegt habe, sehe ich die LED sowieso nicht mehr. Super Idee.
  • Das DSP-Modul bedient sich auch der Farb-Kodierung via LED
  • Das Drum-Modul schließlich zeigt seine Einstellung über zwei dreistellige LED-Reihen im binären Code an.

Und so hinterlässt das Thema Bedienkomfort einen zwiespältigen Eindruck. Und trotzdem hat mir der Umgang mit dem kleinen Kasten doch irgendwie Spaß gemacht. Liegt wahrscheinlich daran, dass man vieles per accident einstellen muss.

Erica Pico System II Test – Die Module

Gehen wir mal die Module von links nach rechts durch:

Sequenzer
Das Sequenzer-Modul vermag 16 Patterns mit jeweils bis zu 16 Steps beherbergen, dabei kann man sogar zwischen 9 Skalen wählen. Dazu bietet der Sequnzeer viel mehr Möglichkeiten als man das so einem kleinen Modul zutraut: Verschiedene Play-Modi Transpose, zufallsbedingte Sequenzen, Slide-Funktion, Transpose-Funktion etc.

Über die Clk in-Buchse lässt sich der Sequenzer synchronisieren, z.B. vom Trigger-Modul (s.u.). Tolle Möglichkeiten, wenn man das nicht alles über die 7Segment-Anzeige und den farbig kodierten Reglern abwickeln müsste.

Der Sequenzer hat einen Gate und einen CV-Ausgang. Will man das VCO- und das Voice-Modul gleichermaßen ansteuern, muss man die CV-Spannungen über den Splitter teilen.

VCO
Das digitale VCO-Modul ist einfach aufgebaut: Oben der Drehregler, der die 16 Schwingungsformen je Bank abruft, darunter der Tune-Regler, dann der Umschalter zwischen den beiden Wellenbänken und ein Schalter, der aus dem VCO ein LFO macht.

Wie gesagt, man kann am Wave-Regler nicht ablesen, was man da gerade eingestellt hat. Leider wird auch nirgendwo dokumentiert, wie die Schwingungsformen genau aussehen – auch nicht im Manual. Bank 1 bietet da eher die klassische Auswahl, während Bank 2 eher digitale, metallische Klänge umfasst.

Der Tune-Regler regelt die Stimmung von C0 bis C8. Das ist ein sehr großer Tonumfang, damit den VCO mit dem kleinen Poti richtig zu stimmen, kann schon etwas schwierig werden. Einen Fein-Tune-Regler sucht man leider vergebens.

Dann gibt es noch einen W-CV-in, womit man z.B. per LFO die Wellenbänke durchlaufen lassen kann, was den Sound sehr lebendig macht. Das ist so eine Art kleiner Wavetable-Effekt. Schließlich gibt es noch den CV-in (1V/Oct.) für die Tonhöhe und den Audio-Ausgang des Oszillators.

Voice
Im Prinzip der zweite Oszillator. Die Bewertung des Voice-Moduls ist ganz einfach: Sound top, Bedienung flop. Warum? Das Ding klingt toll, die Möglichkeiten sind toll, aber damit zu arbeiten, macht keinen Spaß. Das Voice-Modul hat 8 Modi (s. Chart). Welchen davon man angewählt hat, dies zeigt die Farbigkeit einer LED an (s.o.). Dazu kann ich noch ausgesuchte Parameter beeinflussen. Welche das sind, dies muss ich an der Farbkarte ablesen.

Erica Pico II Farbcodes, Bild: Erica
Erica Pico System II Farbcodes, Bild: Erica

Klar, ich kann einfach mal an den Potis drehen und schauen, was passiert. Besonders, wenn ich etwas rekonstruieren möchte, tappe ich da aber vollkommen im Dunkeln.

Ein weiterer Nachteil: Der Tuneregler ist regelbar zwischen C0 und C8, ein sehr weiter Bereich für einen kleinen Drehregler. Hier die richtige Frequenz zu finden ist gar nicht so einfach. Außerdem fehlt auch hier ein Fein-Tune-Regler.

VCF 1
Filter nach Vorbild des russischen Polivoks Synthesizers. Regelbar sind Cutoff und Resonance. Dazu kommt ein regelbarer CV-Eingang zur Cutoff-Modulation sowie ein Ein- und ein Audio-Ausgang. Hier wieder die gleiche Kritik: Zu wenig Eingänge. Der Filter ist toll, packt wunderbar zu, knackige Bässe sind damit vorprogrammiert. Resonance ist selbst-oszillierend.

Drum
Das Pico System II beherbergt zwei identische Drummodule, von denen jedes zwei Drumsounds erzeugen kann. Insgesamt können wir also vier Drumsounds parallel fahren, worauf die vier Trigger-Ausgänge des nachstehenden Trigg-Moduls natürlich perfekt abgestimmt sind. Das Drummodul hat es faustdick hinter den Ohren. Je Drummodul können wir zwei Drumsounds laden. Für jeden Drumkanal können wir dabei aus 64 Samples wählen. Das ist schon eine Menge. Das wäre auch toll, wenn man da so einfach drankäme. Wie schon erwähnt, läuft die Anzeige über 6 LEDs im Binary Code. Frage mich, wer sich das ausgedacht hat. Jeder Drumsound lässt sich dann in Pitch, Decay und Volume einstellen. Beispiel: Wir drücken den Regler bis er rot leuchtet und können dann die Decay-Zeit bestimmen etc.

Über ein Interface für dass wir das Modul aus dem Rack nehmen müssen, knnen wir sogar über eine App eigene Samples nachladen. Super.

Erica Pico II Drum Programmer
Erica Pico System II Drum Programmer; Foto Erica

Das Drummodul klingt wirklich klasse, knackig und crisp, wenn da nicht die Bedienung wäre. Man weiß natürlich nie so richtig, welches Sample gerade aktiv ist. Ein weiterer Nachteil, beide Drumsounds teilen sich den gleichen Audioausgang – schade.

Trigg
Ein Trigger-Modul mit vier Trigger-Ausgängen, die die beiden Drum-Module (s.u.) steuern sollen. Auf den ersten Blick sieht man dem Modul die umfangreichen Möglichkeiten gar nicht an. Man ahnt es schon, das geht natürlich wieder zu Lasten der Bedienfreundlichkeit.

Wir sehen einen Patchpunkt, den wir wahlweise mit Clock in oder out belegen können. Im letzteren Fall dient das Modul als Masterclock-Einheit. Die Geschwindigkeit wird dann über den Ctrl-Regler bestimmt, so lang er die grüne Farbe hat. Drücken wir diesen Knopf, dann wird er gelb, drücken wir ihn nochmals, dann wird er rot.

Im gelben Zustand können wir ein Shuffle einstellen, im roten Zustand lassen sich Trigger-Pattern über ein angeschlossenes Handy, Tablet oder ein LapTop via eines Pattern Designers laden.

Der Pattern Designer erlaubt vier Spuren mit bis zu 16 Steps. Dabei sind auch Polyrhythmen möglich. Bis zu acht Drumpattern lassen sich im Modul ablegen und abrufen. Welches Pattern man abruft, die sieht man dann an den Betriebszuständen der grünen LEDs der vier Trigger-Outputs.

Erica Pico II Pattern Designer; Bild Erica
Erica Pico System II Pattern Designer; Bild Erica

Puuh, ein wenig viel Aufwand für 4 x 16-Steps.

RND

Ein LFO kombiniert mit Noise und Random /S&H). Der einzige Regler bestimmt die Modulations-Geschwindigkeit. Dann gibt es Ausgänge für Sinus und Pulse, Noise, Random Trigger, Sample & Hold. Über CLK in lässt sich die Modulationsgeschwindigkeit synchronisieren.

DSP

Ein Effektmodul mit 8 verschiedenen Stereo-Effekten mit jeweils 2 veränderbaren Parametern. Diese sind je nach Effektart natürlich unterschiedlich. Damit kann ich gut leben, niemand erwartet an dieser Stelle ein komplettes, in allen Parametern steuerbares Effektsystem.

Die Effekte sind gut gewählt und von guter Qualität. Auch die Auswahl der regelbaren Parameter ist sehr praxisnah. Das jeweils erste Parameter kann per CV moduliert werden. Welchen Effekt man angewählt hat, das erkennt man wieder an der Farbcodierung einer LED (vgl. Voice-Modul). Leider hat das Effektmodul nur einen Eingang. Will ich das VCO- und das Voice-Modul gleichermaßen mit dem Effekt anreichern, dann muss ich wieder das A-Mix-Modul bemühen. Und da gehen mir irgendwann die Verbindungsmöglichkeiten aus. Komplettiert wird das DSP-Modul mit den zwei Ausgängen l/r. Eine Übersicht über die Effekt-Modi gibt das nachstehende Schaubild.

Erica Pico II: Die Effektauswahl
Erica Pico II: Die Effektauswahl

Multi
Multi ist in Prinzip ein Splitter, der Audio-Signale oder Steuerspannungen auf mehrere Ausgänge verlustfrei aufsplittet. Entweder 1 auf 2 oder 3 oder 1 auf alle 5 Ausgänge. Auch davon bräuchte man eigentlich (mindestens) ein Modul mehr.

A-Mix
Der Erica Pico System II beherbergt zwei A-Mix-Module. Die verfügen jeweils über drei regelbare Eingänge und einen Ausgang. Gute Sache, aber eigentlich bräuchte man davon 4 Module.

Zu wenig Ein- und Ausgänge ist ein Manko am Erica Pico II. Das ist natürlich konzeptbedingt. Will man die Maße einhalten und 3,5 mm-Buchsen verwenden, was ich gut finde, dann reicht der Platz halt nicht aus.

MOD
Kombination aus VCA und Hüllkurvengenerator. Eine einfache AR-Hüllkurve, umschaltbar auf ASR, ein Gate-Eingang (z.B. für das Gate eines angeschlossenen Keyboards), Envelope out sowie VCA in/out.

Der VCA wird direkt von der Hüllkurve moduliert, über Envelope out kann die Hüllkurve auch auf das Filter geroutet werden.

Das ist ein wenig spärlich. Das gilt vor allem für den VCA. Da habe ich noch nicht einmal die Möglichkeit, mehrere Signale einzuspeisen. Wenn ich das möchte, dann muss ich dafür einen Weg im A-Mix-Modul opfern – und die sind m.E. sowieso zu rar.

Output
Das Modul verfügt über einen regelbaren Kopfhörerausgang und einen nicht regelbaren Audio-Ausgang (Stereo-Miniklinke). Mit den Eingängen links/rechts ist das System stereo ausgelegt.

Erica Pico System II Test – Sound/Fazit

Der Erica Pico II ist ein sehr kompaktes Desktop-Modularsystem mit tollem Sound, aber auch vielen Ecken und Kanten in der Bedienung. Eines zieht sich durch den ganzen Bericht durch: Es gibt viel zu wenig Ein- und Ausgänge. Für viele Schaltungen muss ich entweder den Splitter oder die A-mix-Module bemühen, und davon gibt s zu wenig. Mehr Patch-Punkte konnte man nicht unterbringen, mehr Module auch nicht.
Die Folge: Man kann die Möglichkeiten des Erica Pico II gar nicht voll ausschöpfen, und das ist sehr schade.

Erica stolpert insgesamt ein wenig über das eigene Konzept. Man wollte möglichst viel Leistung in ein kleines System packen, und das ging bei einigen Schlüsselmodulen zu Lasten der Übersichtlichkeit und der Bedienerfreundlichkeit.

Vieles ist dadurch bei den Einstellungen zufallsabhängig, das kann natürlich auch ein Vorteil sein. Denn auf diese Weise produziert man vielleicht auch ungewöhnliche Dinge. Nur diese dann irgendwann wieder zu reproduzieren, ist nicht ganz einfach.

Schon beim VCO weiß ich ja gar nicht, welche Schwingungsform nun wirklich aktiv ist. Und auch die Funktionalität des Trigger-Moduls ist für das, was dabei entsteht, ziemlich kompliziert.

Wir können das alles auch zur Seite schieben, wenn wir damit leben können. Der Erica Pico II hat auch seine Stärken, und die liegen im wichtigsten Parameter, dem Sound. Das Ding klingt verdammt gut, sehr klar, sehr durchsetzungsfähig und auch teilweise sehr ungewöhnlich.

Fette Bässe und Indutrial Sounds spielen in der ersten Liga. Auch das Filter hat richtig Biss.. Und wenn man bereit ist, sich von dem, was man da einstellt, eher überraschen zu lassen, macht das Erica Pico II System sogar richtig Spaß.

Zugegeben, ich habe viel gemeckert, manches ist ja auch wirklich „strange“, aber irgendwie hat mir das Erica Pico II auch gut gefallen. Wenn die ausgefallene Bedienung nicht stört, der bekommt einen wirklich toll klingendes Modularsystem mit Tonerzeugung, Sequenzer und Drummodule.

O.k., der Erica Pico System II kostet knapp 1200 Euro, das hört sich nach einer Menge Geld für ein so kleines Gerät an. Aber da darf man dem lettischen Modularsynthesizer auch nicht Unrecht tun. Es sind halt 14 Module, die in dem kleinen Kasten stecken. Da kosten manch etablierte Modularsynthesizer mehr, ohne die Vielfalt des Pico II zu erreichen. Natürlich kann man die Module des Erica Pico System II auch einzeln kaufen, Platz hat man dafür auch im kleinsten Rack. Auch das ist sicherlich eine Empfehlung.