The Orchestra Complete
The Orchestra Complete Test

Das Angebot an Orchester- und String-Sample-Libraries ist mittlerweile groß und die Klangqualität ungemein hoch. Doch Best Service The Orchestra Complete hebt sich von der Konkurrenz mit einem interessanten Arpeggio-System ab.

Die Zielgruppe dieser Libraries sind natürlich Komponisten, Filmmusiker und Arrangeure jeden Genres. Aber auch der „normale“ Bandmusiker, der seine Songs mit Orchesterbestandteilen anreichern möchte, kommt an diesen Instrumenten nicht vorbei.

Hat man aber selbst keine Erfahrung damit, wie man mit Streicherinstrumenten umgeht und wie man sie setzt und einsetzt, dann kann es passieren, dass auch eine noch so gut klingende Sample Library doch nicht so gut klingt, wie man das erhofft hat. Und dann enden die Versuche in langweiligen Blockakkorden.

Aber auch dem erfahrenen Arrangeur kann es passieren, unter Zeitdruck schnelle Ergebnisse präsentieren oder Skizzen anfertigen zu müssen. Und da kommt The Orchestra Complete gerade recht.

The Orchestra Complete Test – Das Konzept

The Orchestra Complete entstammt wie der Vorgänger einer Kooperation zwischen Best Service und Sonuscore. Die aktuelle Complete-Version ist quasi das Update der schon länger auf dem Markt befindlichen The Orchestra Library. Dabei ist der Begriff „Update“ sogar ein wenig zu kurz gegriffen, denn die The Orchester Library, basierend auf einem 80-Mann-Orchester, wurde um die ebenfalls eigenständige Winter-Strings-Library, eingespielt von einem 40-Personen Streich-Orchester, und dem Morin Khuur Ensembleo erweitert. Letztere fügt mit mongolischen Streichern noch eine wunderbar exotische Note hinzu.

Dieser Merge war möglich, weil Winter Strings und The Orchestra auf dem gleichen Konzept basieren: live spielbare Orchester-Pattern, die über ein Arpeggio-System generiert werden.
Das ist übrigens ein Markenzeichen der Herstellerfirma Sonuscore, die das gleiche Prinzip z. B. auch im Mallet-Flux-Plug-in von Native Instruments einsetzt.
Wir haben auf der einen Seite also die Instrumente und auf der anderen Seite mit der Ensemble Engine das eigentliche Highlight.

The Orchestra Complete Test – Die Instruments

Im Instrumentenordner befindet sich eine Vielzahl an NKI-Instrumenten, aufgeteilt in

  • Strings
  • Woodwinds
  • Choir
  • Percussion
  • Brass
  • Strings FX

Hinter diesen Menüpunkten finden wir dann die verschiedenen Instrumente. Und ein weiteres Menü tiefer liegen dann die verschiedenen Artikulationen, die uns The Orchestra Complete zur Verfügung stellt. Für eine genau Übersicht sorgt die nachstehende Tabelle.

The Orchestra – Liste der Instrumente und Artikulationen
The Orchestra – Liste der Instrumente und Artikulationen

Bei den Chören kann sogar bei den Staccato-Artikulationen 11 Silben zu intonieren (via Keyswitch steuerbar). Das reicht jetzt nicht aus, um Carmina Burana absingen zu lassen, aber kann bei vielen Sachen eine hilfreiche „Kleinigkeit“ sein. Bei den Sustain-Chören hat man die Wahl zwischen „Ahh“ und „Ohh“.

Besonders gelungen finde ich dann auch die String-FX-Sounds, nicht-tonale Effekte, die Rise und Falls, Thrills und andere Geschichten erzeugen. Apropo Keyswitches. Die Aufteilung zwischen Keyswitches und spielbarer Tastatur wird auf der virtuellen Tastatur farbig angezeigt. Wer im Besitz eines NI-Keyboards mit NKS ist, der sieht dies auch an der Farbcodierung der Tasten.

Bearbeiten lassen sich die Instrumente noch mittels eines 2-Band-EQs und einer Reverbsektion mit verschiedenen Hallräumen. Tiefergehende Bearbeitungsmöglichkeiten, wie z. B. variable Mikrofonpositionen, finden wir hier nicht. Das ist auch nicht der Ansatz von The Orchestra Complete. Diese Feinheiten sind anderen Libraries vorbehalten.

Das Plug-in stellt dafür die ganze Bandbreite an multi-gesampelten Orchesterklängen in einer guten Klangqualität zur Verfügung. Dazu kommen viele Artikulationen über die Keyswitches und die wirklich spannenden Sounds aus den Winter Strings plus Chöre und String FX. Diese ergänzen das Angebot um eine völlig andere Farbe.

Nimmt man nur die Instrumente der Library alleine, dann hat der User schon einmal basismäßig alles, was er sich an Orchesterklangfarben wünscht. Aber das ist ja beileibe noch nicht alles, das eigentliche Asset von The Orchestra Complete liegt in der Ensemble Engine.

The Orchestra Complete Test – Die Ensemble Engine

Die Ensemble Engine ist ein komplexes Arpeggio-System, das bis zu 5 Stimmen/Klangfarben/Arpeggios zu einem dichten Arrangement verweben kann. Dazu bietet die Engine 5 Slots an, die allesamt mit Instrumenten aus dem reichhaltigen Klangangebot (s.o.) belegt werden können. Diese 5 Slots könnte man auch mit 5 Spuren einer DAW vergleichen, womit wir auch schon bei einem Mega-Feature des Updates angelangt wären: Die 5 Arpeggio-Spuren können als MIDI-File auf 5 DAW-Spuren übertragen und dort weiterver- und bearbeitet werden. Das führt sogar so weit, dass man alle oder auch einzelne Arpeggiospuren mit Klangfarben anderer Libraries abspielen könnte. Das ist wirklich toll, denn es erhöht die Flexibilität enorm.

Da ist es schon fast müßig zu erwähnen, dass The Orchestra Complete sich automatisch mit dem Projekttempo der DAW synchronisiert. Man ist also immer „in time“. Aber man kann auch Halftime und Double Time einstellen, was je nach Pattern sinnvoll sein mag.

Nun kann man sich vorstellen, dass die Programmierung von bis zu 5 Arpeggio-Spuren mit Dynamik und allen Möglichkeiten, die das System bietet, auch nicht ganz so einfach ist – zumindest am Anfang.

Aber keine Bange, The Orchestra Complete stellt nicht weniger als 305 Orchester-Patterns zur sofortigen Verwendung zur Verfügung. Da dürfte für die meisten schon genug Klang- und Arrangementfutter dabei sein, um z. B. eine Bridge oder einen Refrain eines Songs zu orchestrieren.

Um Missverständnissen vorzubeugen, die Patterns liegen nicht als komplettes Sample vor, welches man ablaufen lässt. Vielmehr werden die Patterns gemäß den Arpeggiator-Einstellungen live erzeugt. Dazu greift man nur beliebige Töne oder Akkordfolgen auf einer angeschlossenen Tastatur. Damit erübrigt sich auch die Frage, ob auch „schräge“ Akkord gespielt werden können. Im Prinzip kann man auch den Arm auf die Tasten legen und es passiert etwas. Zum besseren Verständnis sollte man sich dazu noch vor Augen halten, wie ein Arpeggiator arbeitet.

Bevor wir ins Detail gehen, hier ein paar Klangbeispiele, die zeigen, was mit The Orchestra Complete möglich ist:

Zur besseren Darstellung schauen wir uns die Engine einmal genauer an. Auf der linken Seite sehen wir die geladenen Instrumente, die wir muten oder auch solo abhören können. Dann folgt die Oktavlage der Klangfarbe.

The Orchestra Complete Engine-Page
The Orchestra Complete Engine-Page

In den Engine-Slots bestimmen wir dann, ob und welche Bewegungen wir erzeugen wollen. Wir haben dabei die Wahl zwischen drei Arpeggiatoren (1-3) und zwei Hüllkurven-Funktionen. Erstere sind eher für Staccato-Klangfarben gedacht, letztere für Sustain-Sounds.

Jetzt könnte man fragen: Warum nur drei Arpeggiatoren, wenn ich 5 Slots habe? Antwort: Wir haben die Möglichkeit, ein Orchesterarrangement auch aus mehreren Ensembles zu konstruieren (z. B. 2 x 5 Slots oder mehr). Aber auch mit drei unterschiedlich aufgebauten Arpeggiolinien generiert man schon attraktive Tonfolgen.

Zudem kann man einen Arpeggiator auch in mehreren Slots verwenden, um z.B. eine Cello-Linie mit einem Bass zu doppeln. Und bei zu viel unterschiedlicher Bewegung könnte es klanglich auch schnell unübersichtlich werden.

Wer sich die Klangbeispiele anhört, wird zugeben müssen, dass die Komplexität der Ergebnisse schon überaus dicht sein kann. Und meist kommt ja ein gehaltener Akkord, der mit einer Hüllkurve dynamisch bearbeitet werden kann, noch dazu.

Ob ein Arpeggio-Pattern oder ein Hüllkurvenpattern für den jeweiligen Slot gewählt wurde, dies zeigt ein Symbol auf der rechten Seite.

Will man ein Pattern „from scratch“ selbst programmieren, dann setzt die Funktion „empty slot“ alles auf Null. Oder man lädt eine der vier möglichen Preset-Varianten:

  1. Orchestral Colors
    Hierunter fallen Soundkombination (layers) in den 5 Slots, die herkömmlich über die angeschlossene Tastatur gespielt werden.
  2. Orchestral Rhythms
    Rhythmische Orchesterpattern aus einer oder mehreren Orchestersektion zusammengestellt. Diese werden aus den gespielten Tönen/Akkorden über die Arpeggio-Engine generiert.
  3. Animated Orchestra
    Komplexe Orchesterarrangements. Diese werden ebenfalls aus den gespielten Tönen/Akkorden über die Arpeggio-Engine generiert.
  4. User Presets
    Die Programmierungen des Users. Dies kann dann eine der drei o.a. Möglichkeiten sein.

Am Anfang ist es vielleicht ratsam, ein bestehendes Pattern zu verändern, um sich dabei die Funktionen und Wirkungen der einzelnen Parameter zu erarbeiten. Man sollte dann auch nur mit einem Preset beginnen, was nur 1 x 5 Slots belegt, um den Überblick nicht zu verlieren.

Um herauszubekommen, was auf jeder der 5 Spuren passiert, kann man sich ganz wunderbar der Solo- als auch Mute-Funktion für jeden Slot bedienen.

Wer beim Begriff Arpeggio an einfache herauf- oder herunterlaufende gebrochene Akkorde denkt, der wird überrascht sein ob der vielen Einstellungsmöglichkeiten, die das System bietet. Dies fängt bei der Taktart an, geht über die Anzahl der Steps, die Einstellung der Lautstärke jedes Steps (wobei man hier auch einen Step ausblenden kann, was zu einer weiteren Rhythmisierung führt), der rhythmischen Bearbeitung und der Laufwege. Man kann sogar festlegen, welche Töne eines gespielten Akkordes auf einen Arpeggiator wirken sollen. Es bietet sich z. B. an, ein tiefes Cello immer nur vom tiefsten gegriffenen Ton triggern zu lassen.

Die Variationsmöglichkeiten sind enorm und einer der Garanten für den lebendigen Klang. Dazu kommen dann noch die dynamischen Aspekte. Man kann die Slots überblenden, einblenden und vieles mehr.

Haben wir in einem Slot statt eines Arpeggiators einen Envelope-Sound gewählt, dann lässt sich z. B. mit der Maus ein Dynamikverlauf auch über mehrere Takte hinweg zeichnen. So ist es möglich auch einen liegend Klang dynamisch in das Gesamtarrangement einzubetten.

Zur besseren Übersicht teilt sich das Geschehen auf drei Pages auf:

Die Main Page, mit der Übersicht über die 5 Slots, die Engine Page, die Auskunft über die Arpeggio-Einstellungen gibt sowie die Mixer Page, auf der sich die 5 Slots mischen lassen: Lautstärke, Reverb, Panorama etc.

The Orchestra Complete Mixer-Page
The Orchestra Complete Mixer-Page

The Orchestra Complete Test – Die Klangqualität

Irgendwie hat The Orchestra Complete seinen eigenen Soundcharakter, der sich gut in ein Mix einfügen kann. Im Bassbereich ist er prägnant und auch im Höhenbereich brillant.

Diese Library ist eher eine Workstation, ein Allrounder als jetzt ein spezialisiertes, mit allen Möglichkeiten ausgestattetes Plug-in. Und ja, man findet wahrscheinlich in jeder Instrumentengattung Versionen, die noch mehr Detailgenauigkeit und viel mehr Einstellungmöglichkeiten bieten. Aber das ist gar nicht der Anspruch von The Orchestra Complete. Berücksichtigt man die riesige Auswahl, die Engine und auch den Preis, dann muss man hier feststellen: Das Ding klingt in sich einfach gut.

Aus diesem Grund wird auch in der Abschlussbewertung für den Sounds die Höchstenote von 5 Punkte vergeben, obwohl es Libraries gibt, die einzeln gesehen noch etwas besser klingen.

The Orchestra Complete Test – Fazit

Mich hat The Orchestra Complete rundum begeistert. Aus meiner Sicht sollte diese Library zur Standard-Ausrüstung eines jeden Musikers gehören, der gerne mit Orchesterklängen aller Art arbeitet. Man hat eine riesige Soundauswahl und über die Ensemble Engine mit ihren automatisierten Patterns erreicht man wirklich schnell überzeugende Ergebnisse.

The Orchestra Complete ist damit auch für Otto-Normalmusiker geeignet, der keine fundierten Kenntnisse von Streicher-oder Orchesterarrangements besitzt.

Wie schnell hat man damit einen Song um orchestrale Klangfarben bereichert, sei es im Refrain oder in einer Songbridge. Aber auch professionelle Anwender, die mal ganz schnell eine Skizze eines Arrangements zeigen wollen, können zum Anwenderkreis gehören.

Bedenkt man dann auch noch die leider kleiner werdenden Budgets bei der Film- und Videovertonung, kann man mit The Orchestra Complete ganz schnell auch kurze sinfonische Elemente realisieren, die normalerweise deutlich mehr Zeit in Anspruch nehmen würden.

Klar ist auch, dass es Orchesterlibraries gibt, die eine umfangreichere Klangbearbeitung erlauben und die das Einzelinstrument noch viel detailgetreuer abbilden können. Aber diese stehen gar nicht in Konkurrenz zu The Orchestra Complete, weil es da komplett unterschiedliche Ansätze gibt.

Und gegenüber der vorherigen Orchestra-Version hat man durch die Hinzunahme von den Winter Strings und vor allem der Möglichkeit, die Arpeggiopatterns in die DAW zu übertragen nochmals deutlich zugelegt.

Ich finde, dass 399 Euro für The Orchestra Complete eine gute Investition darstellen. Besitzer der älteren Version oder der Winter Strings erhalten Update-Konditionen.

Zum Abschluss sei noch gesagt, dass gerade mit Elysion das synhetische Pendant zu The Orchestra erschienen ist,