Hier entstanden die Aufnahmen zu Spitfire Audio LCO Textures
Hier entstanden die Aufnahmen zu Spitfire Audio LCO Textures

Klassische String Libraries gibt es mittlerweile schon in einer fast unüberschaubar großen Auswahl in allen Preislagen. Mit LCO Textures geht Spitfire Audio nun einen etwas anderen Weg.
Diese Library bietet eine Vielzahl von Klangteppichen, die man sehr individuell verknüpfen kann.

Schon die Aufnahmen von Spitfire Audio LCO Textures fanden in einer eher ungewöhnlichen Location statt: Nicht in einem Konzertsaal, sondern in einem ausgedienten Flugzeughangar in England. Dieser bot natürlich schon eine spezielle Akustik mit einen intensiven Naturhall. Auch das London Contemporary Orchestra, kurz LCO, wartete u.a. mit ungewöhnlichen Instrumentierungen auf.
Die Betonung bei dieser Library liegt auf „Textures“, was man mit Klangstruktur, Klangteppich, Textur oder einfach Fläche übersetzen kann.

Und so finden wir hier keine separierten Streichersounds, um möglichst authentisch ein Orchester mit Läufen und Melodien zu emulieren, sondern eine Vielzahl von organisch erzeugten, lang anhaltenden und ständig variierenden und sich entwickelnden Soundteppichen.

Man könnte diese ein wenig respektlos als Pad bezeichnen, wobei das aber nicht den Kern trifft. Denn dieser liegt in der ständigen, manchmal auch überraschenden und abrupten Veränderung des Klangbildes, vergleichbar vielleicht mit der Wavetable-Synthese, die ähnliche Klangverläufe schafft.

Wegen dieser lebendigen Ausformung des Klangteppichs nennt Spitfire Audio die Sounds auch Evolutions oder kurz EVO.

Zur Nutzung benötigt man übrigens KONTAKT oder den KONTAKT Playerr (Download-Größe: 14.4 GB)

Spitfire Audio LCO Textures Test – Die EVOs

Die LCO Textures oder EVOS wurden mit vier verschiedenen Ensembles aufgenommen, die sich in der Besetzung und damit auch im Sound unterschieden. Daraus entstanden die folgenden vier Kategorien:

Ethereal:

  • Voices (Sopranos, Mezzo Soprano, Alto, Tenor, Baritone, Bass)
  • Percussion
  • Cello

Mercurial:

  • Flute (plus Alto & Contra)
  • Harp
  • Viola
  • Cellos

Quantum:

  • Flute (plus Alto & Contra)
  • Piano
  • Viola
  • Cellos

Astral:

  • Percussion
  • Felt piano
  • Cello Harmonics

Diese Individual Texture (EVOs) ruft man über den Browser ab, wobei es insgesamt 32 verschiedene Versionen gib, die über die 4 Kategorien hinweg von 1-32 durchnummeriert sind (was gleich beim EVO Grid noch wichtig werden wird). Vereinzelt gibt es noch Variationen in der Artikulation (Evo #1 existiert z.B. in 3 Varianten).

Ich habe lange darüber nachgedacht, wie man die Auswahl von 32 Texturen bewerten soll? Hat man damit wirklich das Optimum aus so einer Aufnahmesession herausgeholt? Hätte man nicht noch mehr, noch unterschiedlichere Texturen produzieren können?

Ich meine ja, zumal die Texturen innerhalb der vier Kategorien nicht unähnlich sind. Ich hätte mir da doch deutlich mehr unterschiedliche Klangerlebnisse und mehr Soundscapes gewünscht. Und es hätten auch noch drastischer wechselnde Verläufe innerhalb eines Klanges sein dürfen. Insgesamt wirkt alles sehr getragen und wenig dramatisch oder überraschend.

Es ist natürlich auch eine Preisfrage, aber die LCO Textures liegen bei 299 Euro, was ein “Mehr” an Klangmaterial sicherlich gerechtfertigt hätte.

Zurück zum Produkt. Klanglich lassen sich die 32 EVOS (Individual Textures) in verschiedenen Bereichen bearbeiten. Da wäre die unterschiedliche Mikrofonierung an erster Stelle zu nennen. Drei Mikrofon-Positionen stehen da zur Wahl: Close, Main und Room. Die Lautstärkeanteile sind dabei über einen Mixer stufenlos regelbar. Damit kann man den Raumeindruck der Textur schon maßgeblich beeinflussen.

Spitfire Audio liefert dann noch eine eigene Mix-Version und eine Variante, die den Sound über einen Plattenhall schickt. Mit der Stretched-Funktion können wir die Aufnahme bis auf die doppelte Länge auseinanderziehen, was den PAD-Charakter noch unterstützt. Die Einstellungsmöglichkeiten gehen sogar so weit, dass sich das Stereobild jedes Mikros individuell bestimmen lässt.

Weiterhin können wir in dieser Sektion die Velocity-Kurve wählen, die Lautstärke insgesamt und auch mit einem ADSR-Hüllkurvengenerator den Verlauf weitergehend bestimmen. Die bearbeitete Version ist natürlich als User-EVO speicherbar

Spitfire Audio LCO Textures Test – Das EVO Grid

LCO Textures EVO Grid
LCO Textures EVO Grid

Die 32 Texturen sind aber gar nicht das eigentliche Asset dieses Plug-ins. Bisher haben wir ja nur gehört, dass wir die 32 EVOs einzeln abrufen können. Es geht aber deutlich mehr, denn bis zu 10 EVOs lassen sich auf der Tastatur verteilen und so miteinander verweben.

Herzstück der Benutzeroberfläche ist das sogenannte EVO Grid (eine Anlehnung an die Matrix der legendären EMS AKS Synthesizer). Dabei erfolgt die Programmierung über eine 32 x 10 große Matrix.
Die X-Achse bestimmt die Evolutions (bis zu 32) und die Y-Achse die Lage der EVOs auf der Tastatur (10 Bereiche). Letzteres könnte man auch als exzessiven Keyboard-Split bezeichnen.

Ich muss sagen, dass dieses EVO Grid einfach wie genial ist, denn man hat einen optimalen Überblick über ein gar nicht so unkompliziertes System.


Jeder Punkt auf dem EVO Grid entspricht (s.o.) einer der 32 Texturen, wobei immer nur eine EVO pro Tastatursegment abrufbar ist. Dabei ist zu berücksichtigen, dass jedes EVO aus bis zu 10 Samples besteht, korrespondierend zu den Tastaturwerten auf der Y-Achse. Hört sich komplizierter an, als es ist. Einfach mal auf die Abbildung schauen. Im Manual war etwas von 12 Samples zu lesen, was ja bei 10 Tastaturbereichen nicht stimmen kann. Der Spitfire Audio Support sagte dazu folgendes aus (ich lasse es mal in Englisch, es ist, glaube ich, gut verständlich).:

Jack: There are 10 note centres in the Textures grid. The note centres do not strictly relate to sample content. This is because each patch varies slightly in sample content. Some patches have note ranges stretched and some are recorded.

Spitfire Audio LCO Textures Test – Die Center-Bereiche des EVO-Grids

In der Y-Achse (sprich vertical) sehen wir die Tonhöhen, die im Zentrum der Split-Bereiche stehen:

D#1-G#1-C#2-F#s-B2 – C3 – A 3 – D4 – G4 – C5.

In dieser Matrix ist es nun möglich, jedem der angegebenen Tastaturbereichen ein eigenes EVO zuzuordnen. dies erfolg ganz einfach und unkompliziert durch Klicken auf eines deer Felder von 1-32. Allerdings ist der Split „hart“, d.h., Sounds werden nicht ineinander geblendet,.
Die EVOs haben allesamt eine unterschiedliche Länge und Tempo, so dass sich bei längeren Klangbildern immer wieder neue Klangteppiche formen lassen.

Um das zu erreichen, sollte man natürlich die gesamte Tastatur nutzen und besser sogar die Akkorde mit beiden Händen greifen. Die Belegung des Grids kann man auch dem Zufall überlassen und diese mit der Dice-Funktion im wahrsten Sinne des Wortes „auswürfeln“.

Dabei kann man die Kategorie wählen oder sogar die EVOS zwischen den Kategorien mischen lassen. Welche Kategorie man auf welchem Feld aktiviert hat, dies zeigt die bereits erwähnte unterschiedliche Farbgebung. Man kann sich schon vorstellen, was da alles klanglich passiert, wenn bis zu 10 verschiedenen Klangverläufe (organische Wavetables) ineinander verschmelzen. Vieles ist dabei natürlich Trial & Error, weil man die Ergebnisse nicht wirklich voraussagen kann. Aber das kann sehr inspirierend sein. Leider ist es aber nicht möglich, die User-bearbeiteten Texturen in das EVO-Grid einzubetiehen. Zur Verfügung stehen nur die bereits erwähnten 32 vorgegebenen Sounds. Der Nachteil hält sich in Grenzen, denn man kann die 10 EVOs auch im EVO Grid einzeln bearbeiten. Dies funktioniert ähnlich wie bereits beschrieben.

Die einzelnen Tastaturbereiche sind im virtuellen Keyboard farblich unterschieden, das gilt auch bei Nutzung von NATIVE KONTROL

Was mir weniger gefällt, wechselt man im Grid die Texture, dann ist dies mit einem unangenehmen “Knacken” verbunden.

Spitfire Audio LCO Textures Test – EVOs bearbeiten

Unterhalb des eigentlichen EVO Grids sehen wir eine weitere Matrix mit 3 Positionen auf der Y-Achse: FX, Volume und Balance. Während die X-Achse wieder die EVOs bestimmt, schalten wir mit der Y-Achse den Effektweg (FX) ein oder aus bzw. regeln die Lautstärke und das Panorama der verwendeten EVOs. Der Effektbereich besteht dabei aus Reverb, Delay und einem Bandsättigungseffekt. An dieser Stelle besteht nochmals Einfluss auf die Mikrofonierung, wobei hier der Zugang zum Plattenhall nicht existiert.

Spitfire Audio LCO Textures Test – Die Klangqualität

Was kann man von einem der führenden Hersteller von virtuellen Instrumenten erwarten? Klar, höchste Klangqualität – und das kann man diesen Library nur bescheinigen. Alles klingt sher klar, transparent und dann doch wieder geheimnisvoll, was an der Instrumentierung liegt. Alleine die verschiedenen Mikrofonpositionen ermöglichen es, die Flächen sehr nuanciert in einen Gesamt-Mix einzuarbeiten. Die Grundeinstellungen haben dabei schon einen hohen Raumanteil, aber das kann man ja ändern.

Alleine das Experimentieren mit den Klängen empfand ich schon als sehr inspirierend. Irgendwie entstanden dabei Bilder im Kopf, die ich zu den Sound-Teppichen assoziierte habe. Irgendwie kamen mir dann schnell Bilder aus der Trilogie “Herr der Ringe” in den Kopf oder Naturfilme mit spektakulären Bildern. Genau a sehe ich das Haupteinsatzgebiet der LCO Textures: Film-Vertonung, Sounddesig, Musik für Games uvm.

Vom Aufbau her ist das Klanggeschehen jetzt keinem bestimmten Genre zuzuordnen, wie es bei vielen Libraries mit Ethno-Instrumenten der Fall ist. Das macht die LCO Textures deutlich flexibler.

Die Library nimmt dem Produzenten eine Menge Arbeit ab, denn diese sphärischen Klänge selbst zu erstellen, dass ist kein geringer Aufwand. Und man hört stets heraus, dass wir es nicht mit synthetischen Sounds zum tun haben, was einen besondere Atmosphäre schafft. Das jetzt klanglich mit Grooves aus dem Modular-Synthesizer zu verbinden, das stelle ich mir sehr reizvoll vor.

Spitfire Audio LCO Textures Test – Die Zielgruppe

LCO Texture bieten eine Vielzahl von lebendigen und organisch erzeugten Flächensounds. Erste Adressaten sind ohne Zweifel Filmmusiker und Sounddesigner. Diese können sphärische Texturen und Flächen für Filmbeiträge, Installationen und andere Medien und Events erzeugen – und das sogar in Echtzeit.

Auch bietet es sich an, die Sounds der LCO Textures mit elektronischen Klangfarben zu mischen, egal in welcher Musikrichtung.

Die Texturen klingen lebendig und sehr nuancenreich. Das kann in einem etwas dichteren Arrangement auch schon mal untergehen. Man muss sich schon auf das Klanggeschehen der LCO Textures einlassen.
Für den, der nur mal ein paar Pads sucht, um seiner Musik etwas mehr Wärme und Tiefe zu verleihen, sind die LCO Texture wahrscheinlich weniger geeignet und zu aufwändig, denn mit einem Kaufpreis von 299 Euro liegt man jetzt nicht gerade im Mitnahmebereich. Da sollte man sich gut überlegen, ob und wo man dieses Plug-in einsetzen kann.

Ich persönlich hätte mir gewünscht, dass es bei einem Preis von 299 Euro noch ein größeres und vielleicht noch unterschiedlicheres Klangangebot gegeben hätte.

Auch wer sich erst einmal nur für eine Streicher-Sample-Library interessiert, der sollte sich besser andere Lösungen anschauen. Dies ist nur etwas für die oben genannte Zielgruppe und für diejenigen, die ansonsten schon alles an Orchestersounds haben, was der Markt so bietet.


Wer aber mit solchen Flächen in seiner Musik etwas anzufangen weiß, der wird mit sehr interessanten Klängen belohnt und auch inspiriert. Einfach mal die Presets spielen und auf sich wirken lassen.