Mathieu Demange RX950 Review Testbericht
Mathieu Demange RX950 Review Testbericht

Der Akai S950 Sampler kam im gleichen Jahr wie der „große“ S1000 auf den Markt. Doch während es 1988 die meisten nach 16 Bit dürstete und sie zum 1000er griffen, ist der 12-Bit-Sound des S950 doch inzwischen irgendwie legendärer. Jetzt gibt es ihn mit dem Mathieu Demange RX950 als Plug-in.

Dieser Testbericht wurde ursprünglich am 26.03.2018 veröffentlicht. Mit den Hinweisen auf das Update auf Version 1.1.0 haben wir den Test aktualisiert.

Ein bisschen Geschichte

Tatsächlich kam der Akai S950 als Nachfolger des S900 1988 zusammen mit dem neu entwickelten S1000 auf den Markt und wurde wie auch der „große Bruder“ bis 1993 gebaut. Wer damals modern sein wollte, griff wahrscheinlich – so wie ich selbst Anfang der 90er – zum S1000. 16 Bit und 44,1 Sample-Frequenz mit bis zu 32 MB RAM (meiner hat 26) waren einfach zu verlockend. Der S950 dagegen hatte bei Maximalausbau gerade mal 2,25 MB Platz für Samples im RAM.

Aber der S950 hat aus heutiger Sicht einen nicht zu verkennenden Vorteil: Sein Sound mit 12-Bit-Sampling, dem dezenten Aliasing und dem analogen Filter ist ziemlich unique. Der Sound des S1000 ist dagegen eher langweilig, weil nix Besonderes.

Und da wir heutzutage ja sowieso alles im Rechner mit Sampler-Plug-ins in mindestens 24 Bit aufnehmen und hohe Qualität für uns selbstverständlich ist, sehnen sich inzwischen wieder manche nach diesem Sampler-Sound zurück, der für den Signature-Sound diverser Platten der späten 80er bis in die 90er verantwortlich war. Und sei es nur für ausgewählte Klänge.

Mathieu Demange RX950 Classic AD/DA-Converter Test – Plug-in aus Frankreich

Und siehe da: Jetzt gibt’s eine Lösung! Der französische Entwickler Mathieu Demange hat nach eigenen Angaben ein Jahr lang den Sound des Akai S950 analysiert und dabei das RX950 Plug-in entwickelt. Ich selbst wurde darauf aufmerksam, als ich eine Newsmeldung für gearnews.de darüber verfasste. Bereits beim Schreiben der Meldung war mir schnell klar, dass ich dieses Plug-in ausprobieren wollte.

Ein paar Minuten nachdem ich mit der News fertig war, kaufte ich mir die Software als AU-Plug-in für meinen Mac. Eine PC-Lizenz für die Windows-VST-Version bekam ich gleich mitgeliefert. Mit Paypal hatte ich das RX950-Plug-in für gerade mal 19 Euro in weniger als 5 Minuten auf meinem Rechner – sehr schön!

Mathieu Demange RX950 Classic AD/DA-Converter Test – Überblick

Neben den Versionen für Mac (64 Bit, AU) und Windows (32 und 64 Bit, VST) kann man auch eine Rack Extension für Reason (ab Version 7.1) erwerben. Die beiden Downloads kosten jeweils 19 Euro. Bezahlt werden kann per Kreditkarte oder via Paypal. Man erhält nach dem Bezahlvorgang eine E-Mail mit der Rechnung und eine getrennte Mail mit den Download-Links.

Installieren ist recht einfach, allerdings musste ich auf meinem Mac mit OSX 10.13 über die Systemeinstellungen im Bereich Sicherheit sowohl das Anmelden des Disk-Images wie auch das Ausführen des Installers manuell erlauben. Mathieu Demange ist wohl kein „verifizierter Entwickler“, aber who cares …? Das RX950-Plug-in wurde direkt von Logic verifiziert und läuft seitdem ohne Probleme.

Update 20.07.2018

Und wieder hat Mathieu Demange an RX950 gearbeitet. Diesmal hat er gleich einschneidende Eingriffe in die Audio-Engine vorgenommen. Damit kommt es jetzt auch zu dem bisher für manche vielleicht fehlenden Schimmern bei 18 kHz. So wird das Plug-in noch präziser wie das Vorbild.

Dazu gibt’s nun eine skalierbare GUI. Dadurch fällt auch der einzige Minuspunkt, den ich ursprünglich vergeben habe, weg. Das rechtfertigt auch, dass ich den Testbericht noch einmal nach oben schiebe.

Aber das ist noch nicht alles! Denn nun werden auch AAX, VST3 und NKS (VST only) unterstützt. Somit kommen noch mehr User in den “Genuss” des Spätachtziger-Sounds. Außerdem kann man nun den Wert eines Parameters auch per Tastatur eingeben, indem man ihn mit Doppelklick auf den entsprechenden Knopf anwählt.

Und schließlich geht der Output jetzt bis +9 dB und hat eine größere Range. Alles in allem ein gelungenes Update. Den Text dieses Testberichts habe ich an den entsprechenden Stellen angepasst. Die 5-Sterne-Wertung bleibt auf alle Fälle bestehen. Auch der neue Sound ist – äh, auf keinen Fall “schön”, sondern vielmehr so wie früher!

Update 29.04.2018

Inzwischen liegt das Plug-in in Version 1.0.4 vor. Jetzt gibt es für Mac eine Universal-Binary-Version, die auch mit 32 Bit läuft. Schön, dass auch an die User gedacht wurde, die nicht immer die neueste Rechner- und Software-Generation benutzen wollen. Dazu gab es Bug-Fixes für Windows XP und generell bei der Audio Bandwidth.

Weiter mit dem Test des Mathieu Demange RX950 Classic AD/DA-Converter

Mathieu Demange RX950
Mathieu Demange RX950

Das Bedienfeld des Plug-ins hat gerade mal 4 Drehpotis und einen Taster: Input Gain, Audio Bandwith, Filter, Output Level und den Mono-Knopf. Inzwischen gibt’s ein GUI-Update, sodass ich auch auf meinem Retina-Display alles gut ablesen und bedienen kann.

Der Input Gain reicht von – ∞ bis + 20 dB. Sanft angewendet erzeugt der Gain-Regler diese angenehme Sättigung des Sounds. Ab Reglerstellung auf ca. 10 Uhr fängt so langsam die Verzerrung an, die Mathieu Demange „warm distortion“ nennt. Vorsichtig eingesetzt ist das eine tolle Bereicherung des Sounds. Das Ganze endet ziemlich brachial und je nach Input-Signal auch gerne im totalen Krach – wunderbar!

Die Ziel-Sampling-Rate wird mit dem Regler Audio Bandwith eingestellt. Sie startet bei 3.000 Hz und endet bei 19.200 Hz. Dieser Regler erzeugt auch dieses interessante subtile Aliasing (hätte vor 25 Jahren nicht gedacht, dass ich das mal schreiben würde!), das viel vom Charakter des Akai S950 ausmacht. Dieser Regler bestimmt also, wie sich der A/D-Wandler-Schaltkreis des RX950 verhält. Je nach Klangmaterial kann man hier einiges oben einfach wegschneiden. Weg mit den Höhen, her mit dem Charakter!

Dieses Filter braucht keine Resonanz

Das Filter-Poti nimmt Werte von 0 bis 99 entgegen. Da es sich um ein Low-Pass-Filter handelt, ist es entsprechend bei 99 offen, bei 0 zu. Der S950 hatte ein analoges, nicht resonanzfähiges Butterworth-Filter mit 36 dB Flankensteilheit pro Oktave. Das hatte damals zwar eine eigene Hüllkurve und war über Keyboard-Velocity auch dynamisch spielbar, aber es konnte nicht automatisiert werden.

Es versteht sich quasi von selbst, dass das Mathieu Demange RX950-Plug-in dagegen komplett in der DAW automatisierbar ist – es sind ja auch nur 5 Parameter. Auch ohne Hüllkurve klingt das Filter des Plug-ins hervorragend. Auf der Hersteller-Seite wird angepriesen, dass man es auch auf jeder Bus- oder Masterspur einsetzen könne. Wenn man Teile seines Mixes oder gar die Summe auf Spätachtziger trimmen will, ist das eine mögliche Variante.

Mit dem Output-Level passen wir dann tatsächlich die Ausgangslautstärke an. Von – inf dB bis zu +9 dB (in Version 1 war es noch bis zu +3.05 dB) reicht hier die Skala. Da man, wie oben bereits erwähnt, mit den zuvor beschriebenen Reglern sehr viel Krach veranstalten kann, ist dieses Poti nicht zu unterschätzen. Denn damit können wir den erzeugten Sound schnell und einfach wieder in der DAW nutzbar machen.

Mit dem Mono-Taster schließlich kannst du das Signal von stereo auf mono umschalten. Manche Sounds brauchen eben keine Breite. So kannst du auch schnell den Einzelausgang eines alten Samplers simulieren.

Mathieu Demange RX950 Classic AD/DA-Converter Test – Sound

Was das RX950-Plug-in macht, kann man am besten mit ein paar Klangbeispielen verdeutlichen. Dazu habe ich zunächst ein altes Drumkit mit 16-Bit-Samples (44,1 kHz) der Roland TR-707 in Native Instruments Battery 4 eingeladen.

Das zweitaktige Pattern gibt es vier Takte mit RX950 im Bypass. Danach wird das Plug-in eingeschaltet und der Input-Gain über 4 Takte auf +20 geschraubt, während der Output-Level gleichzeitig auf -20 wandert. So kannst du immer noch die Distortion des Plug-ins hören und nicht die digitale Verzerrung der DAW. Danach geht es über zwei Takte lang wieder zurück auf Null.

Zwei weitere Takte später wird die Audio-Bandwidth über acht Takte von 19.200 auf 3.000 runtergefahren. Nach ca. drei Takten hört man sehr schön, wie das Aliasing einsetzt. Zwei Takte bleibt die Audio-Bandwith unten, dann geht’s über acht Takte wieder auf 19.200. Zwei weitere Takte später startet eine Identische Automation, diesmal mit dem Filter.

RX950 Automation in Logic Pro X
Hier siehst du, was du in den Klangbeispielen zum RX950 hörst.

Und da wir ja soundtechnisch gerade in den späten 80ern sind, bot sich irgendwie das House Piano aus der Korg M1 geradezu an. Es kommt aber diesmal aus dem Plug-in der Korg Collection. Über eine typische C-Moll-, F-Moll-, G-Moll-Figur – soll ja alles auch stilecht sein – habe ich die gleiche Automation des RX950 laufen lassen. Auch hier sind das Aliasing und diese subtile Klangveränderung bei geringen Parameterwerten sehr gut zu hören. Das Plug-in arbeitet laut Entwickler eben auch mit 12 Bit, was zu dieser leichten Verdichtung und Druckzunahme des Sounds führt.

Der Nachteil an den Klangbeispielen ist natürlich, dass man RX950 in der Regel eher mit geringen bis mittleren Parameterwerten einsetzen wird. Schließlich geht’s hier ja eher um diese subtile Klangveränderung. Aber wenn man will, kann man eben damit auch ganz schön in den Sound eingreifen. Daher bin ich bei den Sounds eben auch auf die Maximalwerte gegangen.

Mathieu Demange RX950 Classic AD/DA-Converter Test – Fazit

Das RX950-Plug-in gefällt mir sehr gut. Sicherlich wäre es Quatsch, es auf allen Spuren und in jedem Song einzusetzen. Aber wenn zum Beispiel die digitale Produktion mal wieder so ein bisschen ins Sterile abgleitet, kann RX950 der Heilsbringer sein. Sei es auf einer Subgruppe für die zu sauber klingenden Synths oder auf einem Drumcomputer-Loop, der einfach nicht nach Original klingen will. Mit sanft angehobenen Input-Gain kann man schnell auch mehr Punch aus so manch drucklosem Sound holen.

Das Schönste daran: Man muss nicht in den Keller gehen und seinen alten Sampler ausgraben – sofern man ihn überhaupt (noch), sondern kann alles bequem und ohne die CPU erwähnenswert zu belasten, am Rechner erledigen.

Für nur 19 Euro bekommt man ein eben nicht sehr gut, sondern recht authentisch klingendes Plug-in. Meine absolute Kaufempfehlung!

Weitere Infos gibt’s auf der Webseite des Herstellers.