MIDI Quantisierung und Audio Quantisierung: Sechs Regeln, die es zu beachten gilt

MIDI Quantisierung und Audio Quantisierung haben durchaus ihre Daseinsberechtigung – wenn man es nicht übertreibt. Hier sind 6 goldene Regeln zum Umgang mit der Quantisierungs-Funktion.

Die Quantisierung von MIDI-Daten war damals bereits kontrovers. Jetzt, da man auch Audio quantisieren kann, wird es noch hitziger diskutiert. Obwohl manche Musikgenres wunderbar damit funktionieren, kann es eben doch das „menschliche“ Element aus der Musik entfernen.

Manche Leute (oder „Snobs“?) sagen, dass das Quantisieren nur für diejenigen gedacht ist, die einfach nicht das nötige Talent haben, ihr Instrument richtig zu spielen. Diese Leute benutzen natürlich auch niemals die Quantisierungs-Funktionen – außer, es guckt gerade keiner…

Ich persönlich denke, dass es durchaus eine Daseinsberechtigung hat, denn so erhält man sehr tighte Grooves, und man kann einen frischen und coolen ersten Take behalten, anstatt ihn ewig zu wiederholen und damit „tot“ zu spielen.

Aber wie bei jedem Werkzeug kann die Quantisierung auch „falsch“ angewendet werden, wenn man es zu oft und zu heftig benutzt. Dann wird die Musik steril und nicht mehr musikalisch.

MIDI Quantisierung und Audio Quantisierung: Es geht ums Gefühl

Ganz am Anfang darf man ein Ding nicht vergessen: Computer sind schreckliche Musikkritiker. Es ist dämlich, eine Maschine über Rhythmus entscheiden zu lassen, denn es geht um echte Menschen mit echten Emotionen, die Musik machen und Musik hören. Für einen Computer ist es vielleicht wichtig, jede Note perfekt auf jedem Schlag zu haben, aber so funktionieren wir Menschen nun mal nicht.

Es gibt nämlich einen feinen Unterschied zwischen „einen Fehler machen“ und „den Rhythmus zurechtbiegen“. Die Quantisierung eliminiert diesen Unterschied. Ja, Fehler werden ausgebügelt, aber die feinen Nuancen werden auch entfernt.

Als die ersten Sequencer veröffentlicht wurden, verglichen Musiker die quantisierten und nicht-quantisierten Versionen ihres Spiels. Häufig hörte man ein enttäuschtes „Puh, ich wusste nicht, dass mein Timing SO schlecht ist.“ Aber sehr oft war der Mensch und nicht die Maschine richtig. Ich habe Sololinien gespielt, in denen die Noten rund 50 Millisekunden vom Beat entfernt waren – trotzdem klangen sie richtig.

Regel Nummer 1: Du tanzt – ein Computer nicht. Deswegen weißt du viel eher als ein Computer, wann ein Rhythmus „richtig klingt“.

MIDI Quantisierung und Audio Quantisierung: Erst das letzte Hilfsmittel

Es gibt Leute, die einen Track sofort quantisieren, nachdem sie ihn fertig gespielt haben. Bloß nicht machen! Hört man sich alle nicht-quantisierte Spuren an, dann erkennt man, dass sie am Ende den Beat zusammenhalten – auch wenn sie zu früh oder zu spät gespielt sind.

Stell‘ dir vor, man spielt eine Snare (gewollt oder ungewollt) vor der Zählzeit. Nimmt man auf dieser Basis weitere Spuren auf, dann orientiert man sich an diesem Snareschlag, sodass alle Instrumente ein wenig zu „schnell“ klingen. Quantisiert man die Snare jedoch direkt nach der Aufnahme, spielt man direkt anders und das Feeling geht verloren.

Eine weitere „Falle“ entsteht beim Spielen von mehreren (unquantisierten) Parts, die dann irgendwie „falsch“ klingen. Die Lösung wäre hier natürlich das Quantisieren. Nun kann es aber passieren, dass die Stellen, die man für falsch erachtet, eigentlich sogar rhythmisch vollkommen richtig sind, im Zusammenspiel mit einem anderen Instrument aber falsch erscheinen.

Deswegen sollte man die Quantisierung nicht an den Zählzeiten an sich, sondern im oben genannten Beispiel an der Snare ausrichten. Ansonsten hat man schlussendlich nämlich viele verschiedene Spuren, die an unterschiedlichen Sachen ausgerichtet sind – und dann quantisiert man irgendwann alles zum Beat, und das Feeling des Songs ist komplett zerstört.

Regel Nummer 2: Erst dann zur Quantisierung greifen, wenn viele Parts aufgenommen sind und der „relative“ Rhythmus aufgestellt ist.

MIDI Quantisierung und Audio Quantisierung: Selektives Quantisieren

Oft braucht nur ein kleiner Teil einer Spur Quantisierung. Aus Faulheit aber quantisieren Musiker direkt die ganze Spur, weil ja nur die „falschen“ Teile korrigiert werden und die „Richtigen“ nicht verändert werden – zumindest glauben sie das. Wie schon erwähnt, können die richtigen Parts aber zu einem relativen Rhythmus wunderbar passen, während es zum absoluten Rhythmus (dem Metronom o.ä.) falsch klingt.

Die beste Methode ist hier, sich einen Song Stück für Stück anzuhören, ruhig auch mehrmals. Dann sollte man nur die Teile quantisieren, die es wirklich nötig haben. Es passiert oft, dass man nämlich „nur“ die Startzeit einer Note ändern muss. Man sollte sich dann die anderen Spuren anschauen und analysieren, ob die Noten dort hinter oder auf dem Beat sind. Dann kann man die Startzeit der betreffenden Note entsprechend ändern.

Regel Nummer 3: „If it ain’t broke, don’t fix it“ – nur die Noten quantisieren, die wirklich “falsch” klingen.

MIDI Quantisierung und Audio Quantisierung: Von allen Features Gebrauch machen

Quantisierungs-Einstellungen in Cakewalk Sonar
Abb. 1: Das obere Fenster (von Cakewalk Sonar) zeigt die Standard-Quantisierungsoptionen; die Stärke ist auf 80% eingestellt und auch Swing-Feeling ist dabei. Das untere Fenster zeigt das „Groove Quantization“-Fenster, in dem man verschiedene Feelings auswählen kann.

Moderne Werkzeuge zur MIDI Quantisierung und Audio Quantisierung haben viele Optionen, mit denen das Quantisieren effektiver wird. Eins der besten Tools ist die Quantisierungsstärke, die eine Note zu einem bestimmten Prozentanteil näher an den absoluten Beat schiebt. Wenn eine Note zum Beispiel 10 Millisekunden vor dem Beat ist, würde sie bei einer Quantisierungsstärke von 50% dann 5 Millisekunden vor den Beat geschoben. So werden einige grobe Schnitzer zurechtgebogen, während das ursprüngliche Feeling bleibt.

Manche Tools bieten „Groove Templates“, in dem man Rhythmus-Feelings auswählen kann, zu denen die Noten quantisiert werden. Auch kann man die Noten einer Spur zu den Noten einer anderen Spur quantisieren – so kriegt man zum Beispiel den Bass und die Drums schön tight.

Regel Nummer 4: Die Bedienungsanleitung und eher selten genutzten Features der Recording-Software genau studieren.

MIDI Quantisierung und Audio Quantisierung: Experimente mit der Quantisierungsstärke

Folgendes Experiment mache ich gerne während Sequencing-Seminaren, um Quantisierungsstärke zu erklären.

Zunächst sollte man einen unquantisierten Drumpart auf eine Spur aufnehmen – man sollte wirklich merken, dass das Timing nicht stimmt. Diesen Part sollte man dann auf eine andere Spur kopieren, quantisieren und abspielen – man sollte das korrigierte Timing heraushören können.

Jetzt nochmals den originalen Track kopieren und ihn mit einer bestimmten Stärke (z.B. 50%) quantisieren, und er klingt immer noch unquantisiert. Die Stärke erhöht man dann Stück für Stück, bis es „richtig quantisiert“ klingt.

Vergleicht man jetzt diese Spur mit der, die mit 100% Stärke quantisiert wurde, wird man sehr viele Timing-Unterschiede heraushören (Beweis dafür sind die auftretenden Echos). Die zu 100% quantisierte Spur klingt sehr tot und künstlich im Gegensatz zu der teilweise quantisierten.

Regel Nummer 5: Der „korrekte“ Rhythmus ist immer individuell, und ein komplett quantisierter Track klingt immer schwächer und „tot“ im Vergleich zu einem nur teilweise quantisierten Track.

MIDI Quantisierung und Audio Quantisierung: MIDI ist nicht gleich Audio

Einen MIDI-Part zu quantisieren wird die Klangtreue zwar nicht verändern, aber eine Audio-Quantisierung schon, da hier Audio zusammengeschoben und auseinandergezerrt wird. Obwohl es hier in den letzten Jahren immense Fortschritte gegeben hat, ist der Prozess aber doch nicht perfekt. Wenn man die Quantisierung also relativ großflächig anwendet, wird man das im Endresultat hören können; hier ist weniger also auch mehr.

Regel Nummer 6: Die rhythmische Korrektur ist am „unsichtbarsten“, wenn die Signale selbst nur wenig Korrektur benötigen.

MIDI Quantisierung und Audio Quantisierung: Schlussbemerkung

Ja, Quantisierung ist ein tolles und nützliches Tool. Benutzt man es aber willkürlich und zu oft, dann klingt die Musik mechanisch – was natürlich in den meisten Fällen nicht gewollt ist.