Roland AX-Edge
Roland AX-Edge

Die Keytar oder das Umhängekeyboard galt eigentlich schon fast als ausgestorben – zumindest in Europa. Irgendwer scheint die DNA aber wiederentdeckt und mit der Roland AX-Edge zum Leben erweckt zu haben.

 

Bereits im letzten Jahr kam die Roland AX-Edge auf den Markt, auf der NAMM 2019 zeigten Korg einen Prototypen und Yamaha ein bereits fertiges Umhänge-Keyboard. Und auch Behringer beteiligte sich mit dem MH-101 und dem abnehmbaren Grip an dieser Entwicklung. Der Markt wird scheinbar gesehen.

Bei einer Keytar geht es um den alten Traum, dass der Keyboarder wie sein Kollege an den sechs oder mittlerweile auch mehr Saiten auf der Bühne umherlaufen kann und nicht mehr an seine Keyboard-Burg stationär gebunden ist.

Gehört das früher bei Keyboard-Titanen wie Jan Hammer und Rick Wakeman einfach dazu, so dürfte sich die Zielgruppe heute eher im Bereich der Show-, Tanz- oder Top-40-Bands bewegen.

Musikalisch gesehen bringt eine Keytar jetzt nicht wirklich Vorteile, es ist halt ein Show-Effekt, mit einer Keytar über die Bühne zu laufen.

So richtig unabhängig ist der Keyboarder aber auch nur dann, wenn er sich mit dem Umhängekeyboard auch frei von Strom-, Audio- oder MIDI-Kabeln machen kann. Und so sind wir gespannt, wie Roland das bei der AX-Edge Keytar gelöst hat

Roland AX-Edge Test – Der erste Eindruck

Die Roland AX-Edge Keytar gibt es in verschiedenen Designs mit einer Art Wechselrahmen (Blade), der das Aussehen des Instruments deutlich verändern kann. Außerdem finden wir Versionen mit normalen weißen aber auch schwarzen Tasten. Für welche Version man sich entscheidet, das ist ausschließlich dem persönlichen Geschmack vorbehalten. Kann sein, dass die schwarze Tastatur aus der Ferne gar nicht mehr als Keyboard erkennbar ist.

Zum Test haben wir ein weiße Roland AX-Edge Keytar mit weißen Tasten dem Karton entnommen.

Zuerst fällt auf, dass das Instrument mit 4,2 kg (ohne Batterien) nicht gerade ein Leichtgewicht ist und mehr als eine durchschnittliche Gitarre (so um die 3,5 kg) wiegt. Außerdem ist die Keytar mit einer Länge von 125 cm auch ganz schön lang.

Mitgeliefert werden ein Gitarrengurt, Netzteil und ein zweites Blade zum Austausch.

Das Gehäuse ist aus Plastik gefertigt, ging natürlich aus Gewichtsgründen nicht anders. Aber es macht schon – besonders am Griff – leider keinen übermäßig wertigen Eindruck. Wie bei jedem Live-Equipment würde ich da von Anfang an ein Flighcase als Transportkoffer empfehlen, damit man lange Freude an diesem Instrument hat.

Roland AX-Edge Test – Die Live-Tauglichkeit

Die Stromversorgung erfolgt über ein Roland-übliches Netzteil oder aber über 8 (acht) AA-Batterien. Hier möchte ich sofort aufladbare Akkus empfehlen, da Batterien sonst zu sehr ins Geld gehen.

Da ich nicht mit einem Netzteil-Kabel über die Bühne laufen würde, ist der Batterie/Akku-Betrieb wohl obligatorisch. Dabei ist eine Laufzeit von max. 4 Stunden alles andere als üppig. Fast nach jedem oder jedem zweiten Gig muss man die Akkus wohl herausnehmen, aufladen und wiedereinsetzen.
Bedenkt man, dass gerade Showbands auch schon mal gerne vier oder mehr Stunden am Abend spielen, dann ist man da auch schnell auf Null.

Sinnvollerweise gibt es eine Ladestandanzeige, die in Prozent Hinweise darauf gibt, wie lange die Keytar noch einsatzfähig ist. Wenn es kurz vor dem Ende ist, dann zeigt ein Punkt neben der Programmnummer an, dass man die Keytar auf der Bühne wohl zur Seite stellen sollte.

Eine Lösung, bei der man die Keytar z.B. in einem Ständer automatisch auflädt, ohne die Akkus entnehmen zu müssen, hätte ich da deutlich praktischer gefunden.

Kommen wir zu den Audio-Outs. Die Roland AX-Edge Keytar besitzt eine integrierte Tonerzeugung. Will man diese nutzen, dann muss man die Audio-Ausgänge verwenden– entweder mono oder stereo.

Klar, man kann dies mit normalen Audiokabeln bewerkstelligen. Will man aber so richtig über die Bühne toben, dann bleibt einem nichts andere übrig, als sich noch eine Drahtlos-Anlage dazuzukaufen.

Dann wird das alles natürlich auch schon ganz schön teuer. Und will man dann die Keytar wirklich stereo fahren, dann braucht man gar zwei Anlagen. Und aufpassen, man benötigt Drahtlossysteme, die auch Line-Pegel verarbeiten können!

Etwas komplizierter wird es, will man mit der Keytar via MIDI-Tonerzeuger im Hintergrund ansteuern. Man kann natürlich entsprechend lange MIDI-Kabel verwenden, wobei die MIDI-Stecker leider nicht arretieren und diese bei entsprechender Bewegung natürlich auch lose werden können.

Da es direkte MIDI-Drahtlos-System kaum gibt, muss man über die Bluetooth-MIDI-Einrichtung gehen, die die Keytar mit einem IOS- oder Windows-System verbindet. Und Sounds über den Rechner steuern. Ob das mit Bluetooth störungsfrei auf der Bühne funktioniert, das werden wir separat mal testen.

Roland AX-Edge Test – Die Bedienoberfläche

Die Bedienoberfläche ist in erster Line für den Live-Betrieb ausgelegt. Auf der Bühne kommt es halt darauf an, die dort nowendigen Bedienschritte schnell und mit viel Übersicht vornehmen zu können.

Obwohl der Roland AX-Edge einen kompletten Digitalsynthesizer beherbergt, sind für die Programmierung dessen nur wenig Bedienelemente zu erkennen. Das ist auch richtig so, denn die Keytar ist kein Synth, an dem man auf der Bühne umfangreiche Klangveränderungen vornehmen wird.

Von links nach rechts finden wir folgende Bedienelemente. Wir beginnen mit zwei verschiedenen Displays. Etwas abgeschrägt und dadurch vom User im Gebrauchszustand gut erkennbar befindet sich eine dreistellige 7-Segmentanzeige, die die jeweilige Bank und die Programmnummer anzeigt.

Das ist gut erkennbar, verlangt aber ein gutes Gedächtnis. Weiß man wirklich bei über 300 Sounds, ob man da den richtigen gewählt hat?

Roland AX Edge Display
Roland AX Edge Displays

Abhilfe schafft da ein zweites Display, das u.a. das aktive Programm auflistet. Mir persönlich ist das viel zu klein, denn auf der Bühne sollte man eine Anzeige schnell und problemlos ablesen können. Über dieses Display erfolgt dann auch die gesamte Programmierung. Da kann ich nur raten, sich schnell die kostenlose App zu besorgen, denn mit diesem kleinen Display,, was mich dan die Bedienung der Synthesizer in den 80ern und 90ern erinnert, macht das wohl nicht viel Spaß.

Weitere Übersicht schafft die Unterteilung der Sounds in 10 Kategorien (Edge Lead, Lead, Pad, Bass, Poly, Brass, Keys, Other und Vocoder/Voice), durchnummeriert von 0-9. Bank 1 wären jetzt die Leadsounds und Programm13 der gewünschte Sound (1-13).

Roland AX-Edge Die Kategorien
Roland AX-Edge Die Kategorien

Die Taster für die 10 Kategorien befinden sich übrigens gut erreich- und sichtbar oberhalb der Tastatur. Die Anwahl eines gewünschten Sounds ist dann wieder etwas umständlicher. In Ermangelung einer numerischen Eingabetastatur muss ich innerhalb einer Bank dann ggf. bis zu 32 durchsteppen bis ich den Sound 32 erreicht habe.

Gottseidank gibt es die sogenannten Favorite-Sounds, die in 10 Bänke mit jeweils 10 Klangfarben organisiert sind. Dazu lassen sich die Kategorie-Tasten als Favorite-Schalter verwenden.

Hier kann ich mir also bis zu 100 Sounds in der Reihenfolge der Set-Liste hintereinanderlegen und nacheinander abrufen. Das müsste reichen, will man als Showband nicht einen 6stündigen Abend nur auf der Keytar bestreiten.

Etwas länger suchen muss man schon, wenn man als Tanzkapelle auf die Wünsche des Publikums reagieren muss. Da wird eine vorgefertigte Soundreihenfolge zum Bumerang.

Am Keytar-Hals befinden sich auf der Vor- und Rückseite 7 Taster, mit denen man den aktuellen Sound live bearbeiten kann. Positiv anzumerken ist, dass die Taster leicht versenkt angebracht sind, so dass man diese gut erreichen, aber nicht aus Versehen betätigen kann.

Prominent zu sehen sind ein Ribbon und ein breiter Pitchhebel, die wie die Wheels an einem Synthesizer arbeiten.

Auf der schmalen Seite befinden sich noch ein Volume-Regler und ein frei belegbarer Regler (z.B. für Filter Cutoff).

Mit 7 Tastern, 2 Potis und dem Pitch-Hebel plus Ribbon ist man da schon sehr üppig ausgestattet. Da lässt sich der Sound live in vielfältiger Weise bearbeiten.

Mit den vier Tastern vorne schaltet man defaultmäßig die Oktavlage bzw. die Programmnummer weiter. Mit den drei Tastern auf der Unterseite Unisono, Portamento und Hold.

Roland AX Edge Spielhilfen
Roland AX Edge Spielhilfen

Die Taster werden auch mit S1-S7 bezeichnet, was bedeutet, dass man die Parameter, auf die diese wirken sollen, auch frei bestimmen und mit dem Programm abspeichern kann.

Roland AX-Edge Test – Die Tastatur

Man hat sich bei Roland für 49 Tasten in Originalgrüße entschieden, was natürlich auch verantwortlich für Größe und Gewicht ist. Den meisten Musikern wird dies aber entgegenkommen, denn manchmal sind Minitasten auch etwas unbequem zu spielen. Die Tastatur ist dabei nicht nur anschlagdynamisch sondern verfügt auch über Aftertouch. Was man mit dem Aftertouch beeinflussen möchte, dies kann man nur mit dem Soundeditor (IOS und Android) bestimmen, den man sich kostenlos laden kann – dazu später aber mehr.

Mi den 49 Tasten ist es auch möglich, die Keytar waagerecht zu halten, um das Instrument mit beiden Händen zu spielen, was sich z.B. bei Piano-Sounds anbietet.

Die Tastatur ist sehr leichtgängig, was im Gegenteil zum Aftertouch steht, denn da muss man schon etwas mehr Kraft aufwenden.

Roland AX-Edge Test – Die Tonerzeugung

Die Roland Keytar verfügt über einen 256-stimmigen (!) polyphonen Digitalsynthesizer. Damit ist man nicht auf externe Tonerzeuger angewiesen. Und das ist nun wirklich kein Alibi-Synthesizer, sondern ein auf die Live-Performance der Zielgruppe (eher Mainstream) zugeschnittenes Soundsystem, das sich hören lassen kann. Den Synth kann man auch ohne weiteres m Studio bzw. zuhause gut einsetzen.

Ein Programm besteht dabei aus bis zu vier Parts plus Vocoder, Arpeggio und Mastereffekte (Reverb, Delay), wobei zum Grundmaterial Sample-basierte Schwingungen als auch klassische Synthesizer-Schwingungen gehören.

Effekte arbeiten je Part (79 Varianten, Zugriff über App) oder als Mastereffkete (79 Varianten), einstellbar am Gerät selbst.

Insgesamt stehen 500 Basissounds und 320 Programmer zur Verfügung. Da ist ohne Zweifel für jeden etwas dabei.

An der Keytar selbst sind die Sounds nur begrenzt editierbar. Wer in die Tiefe gehen will und die Sounds auf Part-Ebene verändern möchte, der kann sich im App-Store die kostenlose AX Edge IOS- oder Windows APP für Smartphone oder Tablet runterladen. Damit lassen sich dann die Programmierschritte vornehmen

Ich finde, das ist eine elegante Lösung. Ein direkter Zugriff auf alle Parameter hätte die Bedienoberfläche verkompliziert, wollte man das alles nicht über das kleine Display abwickeln. Hierbei gilt es immer zu bedenken, dass die Roland AX-Edge Keytar in erster Linie ein Performance-Keyboard für die Bühne und kein experimenteller Modularsynthesizer sein soll.

Roland AX-Edge Test – Der Vocoder

Roland hat beim AX-Edge nichts ausgelassen, was der Keyboarder auf der (Show)Bühne benötigt. Dazu gehören sicherlich die typischen Vocoder-Chöre oder Gesangsstimmen. Und so verfügt diese Keytar auch über einen integrierten Vocoder. Die Carrier-Signalel iefern die Vocoder-Grundsounds, zu finden in der entsprechenden Sound-Kategorie.Sektion.

Um den Vocoder nutzen zu könenn, benötigt man natürlich ein Mikrofon (das Instrument arbeitet nur mit dynamischen Mikros), das man in den entsprechenden Klinkenanschluss einsteckt. Die Qualität ist gut und das Instrument liefert die Klangfarben, die man in dem Metier. Klar muss sein, dass das natürlich kein experimenteller Vocoder mit eienr Vielzahl von Funktionen ist, aber das ist auf der Bühne beim Einsatz der Keytar auch gar nicht gefragt.

Wer mit dem Vocoder weiter auf der Bühne umherwandern möchte, dem empfehle ich ein Bügelmikro, was deutlich mehr Bewegungsfreiheit gibt. Klar muss auch sein, dass das Vocoder-Signal über die Stereo(Mono)-Outs der Keytar abgegeben werden. Einen separaten Ausgang gibt es hier nicht (ist auf der Bühne auch vielleicht gut so.)

Roland AX-Edge Test – MIDI-Masterkeyboard

Will man exteerne Sounds benutzen, so muss man Klangerzeuger via MIDI anschließen. Dabei kann man komplexere Sets programmieren, da für jeden Part eines Klangprogramms auch ein eigener MIDI-Kanal eingestellt werden kann, mit dem man bis zu vier MIDI-Tonerzeuger im Hintergrund steuern kann. Dies sollte für die Bühnen- Anwendung reichen. Schaltet man auf eine neues Programm, so ändert sich dann auch die MIDI-Konfiguration.

Roland AX-Edge Test – Songs per USB-Stick

Per USB-Stick lassen sich Songs per MP3 oder WAV einladen und über das System abspielen. Dies können ganze Playbacks sein, Drumgrooves, Bässe oder was auch immer. Die Songs lassen sich auch im Display zur besseren Übersicht auflisten, wobei ich zum Thema Display schon genug gesagt habe.

Roland AX-Edge – Die Anschlüsse

Bei den Anschlüssen hat Roland nun wirklich nicht gegeizt. Alles da, was man braucht.

  • Audio Out Streo/Mono
  • MIDI in/out
  • Pedal
  • Mikrofon (für Vocoder)
  • Kopfhörer
  • USB Memory
  • USB Computer
  • Netzteil

Roland AX-Edge Test – Fazit

Die Roland AX-Edge Keytar ist ein gut durchdachtes Performance-Keyboard, was in erster Linie von Show- und Top-40-Bands verwendet werden wird. Aber natürlich kann man das Instrument in jeder Musikrichtung einsetzen, wenn man als Keyboarder nach vorne treten möchte. Das macht natürlich besonders dann Sinn, wenn der Tastenmann teilweise auch für den Lead-Gesang zuständig ist.

Natürlich muss man sich überlegen, wie man die Keytar nutzen will: Komplett unabhängig mit Drahtlos-Audio oder quasi stationär aber in vordester Front mit Audiokabeln, MIDI-Verbindung, Vocoder-Mikro und Fußpedal. Schön ist, dass alle möglich ist.

Die integrierte Tonerzeugung mit der Vielzahl an gängigen und brauchbaren Sounds in gewohnter Roland-Qualität überzeugt durchaus. Etwas enttäuscht bin ich von den Klaviersounds, die sind nicht mehr state-of-the-art. Damit würde ich keine Klavierballade auf der Bühne spielen wollen. Das geht heute besser.

Mich stört überhaupt nicht, dass man für die tiefergehende Klangbearbeitung auf eine App zurückgreifen muss, denn auf der Bühne reichen die Eingriffsmöglichkeiten mit der Vielzahl an Spielhilfen aus.

Ich hätte mir ein deutlich größeres Display gewünscht und ein etwas wertigeres Chassis. Mir hat das zu viel Plastik-Charme.

Bleibt noch der Preis, mit knapp 1000 Euro ist die Roland Keytar jetzt kein Schnäppchen. Auch muss man sich wirklich überlegen, wie häufig man das Instrument einsetzen möchte. Sind es nur ein, zwei Songs, dann ist die Investition schon beträchtlich. Spielt man den ganzen Abend mehr oder weniger darauf, dann lohnt sich die Roland AX-Edge allemal.

Trotzdem sollte man vor dem Kauf eine Art „Anprobe“ machen, ob man mit der Keytar zurechtkommt, denn, wie gesagt, das Instrument ist nicht leicht und auch recht groß.