Im Martin Gore Interview erzählt das musikalische Mastermind von Depeche Mode die Entstehung seines Soloprojekts “MG”.

Martin Gore, Foto: Travis Shinn, Keyboard Mag„Ich wollte kein Techno-Album machen, weil ich etwas in der Art mit Vince Clark beim VCMG-Projekt gemacht habe“, sagt Martin Gore im Interview über sein neues Synthesizer-Soloprojekt “MG”. „Ich wollte etwas anderes machen. Es sollte eher in Richtung Filmmusik sein, vielleicht atmosphärisch, etwas was es wert sein sollte, daraus ein ganzes Album zu entwickeln.“

Für solch ein Projekt ist Martin Gore natürlich genau der Richtige. Sein erstes Album mit voller Spielzeit seit 2003 und „Counterfeit 2“ streift die Grenze zwischen moderner EDM und üppigen Klangwelten, die auch ein vergessener Soundtrack von Blade Runner sein könnten. Martin Gore mischt geschickt seine Vorliebe für Sounddesgin mit der etwas nüchternen Art der Arbeit als Songwriter für die Electronic-Rock-Legende DEPECHE MODE. Das Resultat ist eine Album, das beides hat: musikalisch, künstlerischer Anspruch und Kompatibilität mit breiteren Hörgewohnheiten.

Im Interview gibt uns Martin Gore tiefe Einblicke in den Produktionsprozess von MG, seine Ansichten über den Zustand der Musikindustrie und erklärt seine Lieblings-Synthesizer und -Modulsysteme. Los geht’s, viel Spaß!

Synthi-Details findest du in diesem Artikel!

Martin Gore Interview – Die Mischung zwischen Technik und Emotion

Wie war der Produktionsprozess bei einem Album, das technisch kompliziert, gleichzeitig aber auch sehr emotional ist?

Wir haben über die Jahre immer ein paar Instrumentals gehabt. Ein paar davon waren auf verschiedenen Depeche-Mode-Alben oder als Extra-Tracks auf Singles. Wir haben gerade ein Box-Set mit ausschließlich Instrumentals herausgebracht. Als ich die Songs zu „Delta Machine“ schrieb, blieben vier Stücke übrig, die wir nicht auf das Album bringen konnten. Und bevor ich sie in die Mülltonne werfe, mache ich lieber ein Instrumentalalbum daraus. Das ist mal was anderes. So waren die vier Stücke die Basis. Direkt nach der Delta-Machine-Tour habe ich mich an die Arbeit gemacht. Ich wollte nicht zu viel Zeit verstreichen lassen. Es sollten auch keine 9-Minuten-Songs werden, sondern alles eher kurz und prägnant. Einfache und kurze Titel schaffen eine bestimmte Atmosphäre. Bei vielen Tracks entstand so eine Sci-fi-Stimmung, das war so wie ein roter Faden.

Welche DAW hast Du verwendet?

Ich arbeite immer noch mit (Apple) Logic Pro. Fast alle Klänge sind mit Hardware-Synthesizern entstanden.

Welche Synthesizer waren dies?

Vieles habe ich auf Modulsynthesizern gemacht. Ich besitze ein sehr großes Eurorack-System. Da passiert momentan so viel auf dem Gebiet. Es boomt. Es hört gar nicht auf. Ich finde das sehr inspirierend.

Gibt es da irgendetwas, was Dir besonders gefällt?

Es hängt davon ab, was ich gerade mache, aber ich mag die Teile von Noise Engineering, Hex Inverter oder MakeNoise. Und ich liebe den Circadian Rhythms von TipTop Audio – ein toller Drumcomputer. Dann habe ich noch Sachen wie den Trigger Riot oder das Noise Engineering Drum Modul gebraucht, damit macht man seine eigenen Drumsounds. Und dann gab es noch was mit dem „Mother“-Rhythmus und den drei „Child“-Rhythmen (Anm. der Red.: Gore meint den Zularic Repetitor von Noise Engineering.)

Hast Du nur diese exklusiven Modulsynths gespielt oder gab es auch noch konventionelle Synthesizer?

Es gab auch normales Zeug. Ich liebe z.B. meine Elka Synthex. Der war auf ein paar Tracks dabei oder ein Moog Voyager auf einem anderen Track. Dann gab es noch das Modulsystem von Synthesizers Dot Com.

Martin Gore Interview – 12 bis 6 … oder 7

Wie lange hast Du am Album gesessen, angefangen mit den vier Fragmenten?

Nun, das waren nicht nur Fragmente, 80-90 Prozent waren schon fertig. Letztes Jahr im März waren wir mit der Tour durch, dann bin ich direkt ins Studio gegangen und im November war alles im Kasten. Es waren aber auch niemals Endlossitzungen: Mittags um 12 fing ich an, und dann bis 6 oder 7 Uhr abends.

Einige der Songs, wie „Pinking“, „Swanning“ und „Stealth“ erinnern an die frühen Depeche-Mode-Klänge. Was waren deine Intentionen dabei?

Das war keine bewusste Entscheidung. Es lag wahrscheinlich daran, dass ich viel Analogzeug verwendet habe, und es ist wohl die Art, wie ich Songs schreibe. Das scheint an die Vergangenheit zu erinnern.

Martin Gore Interview – Remixes in der Pipeline

Ein paar Songs kommen ohne Drums aus, zeigen aber trotzdem ein starkes rhythmisches Gerüst. Hast du da schon an Remixe gedacht?

Ja, ich bekomme ein paar Remixe von „Europa Hymn“, einer ist schon fertig. Ich warte aber noch auf drei weitere. Und dann kommt auch noch eine Remix-Version von „Brink“. Andere werden folgen.

Kannst Du schon sagen, wer die Remixe gemacht hat?

Ja, von denen, die fertig sind. Da ich bei allen anderen noch ein Vetorecht habe, möchte ich da keine Namen nennen. Bis jetzt habe ich eine Version von Christopher Berg, der mit uns bei „Delta Machine“ zusammengearbeitet hat. Er hatte auch einen Remix bei VCMG. Er hat „Pinking“ remixed. Virgil Enzinger hat zwei Remixe von „Brink“ gemacht. Die sind alle sehr gut geworden.

Wird es die Aufnahmen separat oder in einem Package geben oder gebt ihr diese als Singles raus?

„Single“ klingt ein wenig merkwürdig bei Instrumentals. Vielleicht kommen sie als Lead Track oder als Download, vielleicht auch auf Vinyl. Vinyl is back! Darum kam das Album auch so spät. Die Vinyl-Presswerke waren komplett ausgebucht. Wir mussten den Veröffentlichungstermin verschieben, weil wir die Vinyl-Platten nicht rechtzeitig bekommen haben. Hätte nie gedacht, dass ich so etwas in 2015 sagen würde!

Martin Gore Interview – Die aktuellem Einflüsse

Depeche Mode hatten sicherlich einen massiven Einfluss auf die Elektronik-Szene. Aber welcher aktuelle Künstler beeinflusst dich?

Ich höre viel elektronische Musik. Ich mag Sachen wie Alva Noto und liebe die “Diamond Version-Alben”. Die sind sehr innovativ und haben einen einzigartigen Sound, den sonst keiner hat.

Ist es das, was dich an neuen Künstlern interessiert?

Egal ob Elektronik oder ein Bandprojekt. Das Wichtigste ist eine gewisse Einzigartigkeit. Man muss seine spezielle Art entwickeln. Vieles klingt sehr generisch, man kann es gar nicht von anderen Künstlern abgrenzen. Tracks von Alva Noto oder Diamond Version dagegen sind unverwechselbar.

Deine Karriere spannt sich über drei Jahrzehnte. Du hast unzählige Musiker beeinflusst. Was sind die wichtigsten Lektionen, die du in der Zeit gelernt hast und die du unseren Usern mitteilen kannst?

Die Landschaft hat sich total verändert. Das wird mir immer bewusst, wenn ich mit Leuten rede, die jetzt gerade beginnen. Ich habe das Gefühl, dass Depeche Mode so gut aus den Startlöchern kamen, weil damals die Plattenfirmen noch stark waren. Würden wir heute anfangen, wüsste ich gar nicht so richtig, wo. Es ist schwer, weil Plattenfirmen gar nicht mehr die Substanz und das Interesse haben, Künstler zu entwickeln.

Was rätst du jemanden, der gerade damit anfängt, mit Synthesizern zu experimentieren?

Ich habe immer gesagt: Drücke allem, was du tust, deinen Stempel auf.

© Keyboard Magazine, courtesy of NewBay Media, 2015