Der Korg Polysix

Der Korg Polysix erblickte das Licht der Musikwelt im Jahre 1982. Er war Japans (genauer gesagt Korgs) Antwort auf den Sequential Circuits Prophet 5.

Obwohl diese Antwort mit der nicht gerade unerheblichen Verspätung von immerhin 4 Jahren kam (der Prophet 5 wurde erstmals auf der NAMM 1978 vorgestellt), wurde der Korg Polysix trotzdem zu einer Sensation. Dabei war es genau genommen eigentlich weniger das Konzept dieses sechsstimmigen polyphonen Synthesizers, das für Aufsehen erregte. Vielmehr war es der damals geradezu sensationell niedrige Verkaufspreis von ca. DM 3400,-.

Heute ist die Summe, gemessen an den Features des Korg Polysix, vielleicht nicht gerade bescheiden. Aber damals stellte sie lediglich etwa ein Drittel dessen dar, was man für einen Prophet 5 ausgeben musste. Der Korg Polysix war so der erste programmierbare polyphone Synthesizer, der für den Durchschnittsmusiker von nebenan bezahlbar war. Nicht zuletzt dieser Tatsache hat es der Polysix zu verdanken, dass er es auf die bis dahin unerreichte Gesamtstückzahl von weltweit mehr als 50.000 verkauften Exemplaren brachte.

Die Entstehungsgeschichte des Korg Polysix

Während die Konzepten des Prophet 5 in weiten Teilen das Werk eines einzelnen Ingenieurs – Dave Smith – darstellte, war der Korg Polysix das Ergebnis eines Teams. Neben den beiden Japanern Yoshi Komiya und Michi Nozokido waren unter anderem die beiden Amerikaner Kim Holland und Jim Wright (der seinerzeit bei der Firma Unicord, dem amerikanischen Vertrieb der Korg-Produkte, angestellt war) an der Entstehung beteiligt.

Die Firma Korg setzte eine Vielzahl japanischer Fertigungstechniken ein, um den Preis des Korg Polysix niedrig zu halten. Das erklärte Ziel war, den Preis unter 1500 Dollar zu halten. Als die Japaner der amerikanischen Vertriebsfirma zum ersten Mal von dem neuen Produkt erzählten, war man dort zwar von der Idee begeistert. Man glaubte jedoch nicht, dass der Synthesizer, so wie er konzipiert war (1 Oszillator, 1 Hüllkurve pro Stimme) gut klingen könne.

Man war jedoch der Meinung, dass selbst ein preiswertes Gerät gut klingen muss, um gute Verkaufschancen zu haben. Die ursprüngliche Version des Korg Polysix bot lediglich 16 Programme. Es gab außerdem keinen Arpeggiator oder Chorus, keinen Unisono-Modus, keine Möglichkeit der externen Datenspeicherung sowie nur unbefriedigende Editiermöglichkeiten. Die meisten der Sachen also, die das Gerät dann später so beliebt machen sollten, waren noch nicht vorgesehen. Unicord schlug den Japanern vor, zur Steigerung der Marktchancen den Verkaufspreis lieber etwas heraufzusetzen, anstatt auf einige (ihrer Meinung nach für den Erfolg wesentliche) zusätzliche Features zu verzichten.

Ein wenig “Ambient Abyss” mit dem Korg Polysix, wie es dieser User so beschreibt:

Korg Polysix – das Gipfeltreffen in Tokio

Man korrespondierte in der Folgezeit mehrfach miteinander, um das Design des Korg Polysix zu optimieren. Das führte schließlich zu einem intensiven dreitägigen Treffen in Tokio im Frühjahr 1981. Es gelang den Amerikanern bei diesem Treffen, knapp die Hälfte der von ihnen vorgeschlagenen 15 zusätzlichen Features durchzusetzen. Unter anderem waren das die doppelte Anzahl von Speicherplätzen (also 32), der Chorus und auch der Arpeggiator.

Im Herbst des gleichen Jahres war dann endlich der erste Prototyp des Synthesizers fertiggstellt. Bei einer Vorführung des Korg Polysix in Japan stellte man dann erleichtert fest, dass der Synthesizer allen Befürchtungen zum Trotz erstaunlich gut klang.

Allzu verwunderlich war dies allerdings nicht, da das Innenleben des Gerätes zu einem nicht unwesentlichen Teil amerikanischen Ursprungs war. Für Filter und Hüllkurven kamen nämlich mit dem SSM 2044 und SSM 2055 integrierte Schaltkreise eben jener Firma zum Einsatz, die bereits seinerzeit Sequential Circuits die ICs für den Prophet 5 (bis inkl. Version REV 2) geliefert hatte.

Der Aufbau des Korg Polysix

Die Architektur des Korg Polysix ist eigentlich recht konventionell. Ausgestattet mit einer 5-Oktaven-Tastatur sowie den vom Minimoog bekannten und zu der Zeit bereits obligatorischen Modulations- und Pitchbend-Wheels bietet dieser sechsstimmig polyphone Synthesizer pro Stimme einen Oszillator mit dreistufigem Fußlagenwahlschalter (16‘, 8‘, 4‘) und den Wellenformen Sägezahn und Puls.

Die Breite der Pulswelle lässt sich sowohl manuell als auch automatisch mittels des speziell hierfür vorgesehenen PWM-LFOs (Dreieckwelle) verändern. Zur Modulation von VCO, VCF oder VCA steht zusätzlich ein zweiter, ebenfalls mit Dreieckwelle ausgestatteter LFO zur Verfügung. Dieser ermöglicht durch den ihm zugeordneten Delay-Regler auch Effekte wie Einschwingvibrato. Mithilfe eines zuschaltbaren Suboszillators kann zum eigentlichen Oszillatorsignal ein Rechtecksignal addiert werden. Das kann wahlweise eine oder zwei Oktaven unter der Originaltonhöhe liegen.

Leider lässt sich dieses zum Erreichen eines volleren Klanges eigentlich sehr nützliche Suboszillatorsignal nur an- oder ausschalten. Eine stufenlose Beimischung wie etwa bei vielen Roland-Synthesizern geht leider nicht.

Korg Polysix: Filter und Hüllkurvengenerator

Der Korg Polysix im Detail.
Der Korg Polysix im Detail.

Das Filter besitzt eine Flankensteilheit von 24dB und ist mit Drehpotis für Eckfrequenz und Resonanz ausgestattet. Die Filterfrequenz kann sowohl über positive oder negative Steuerspannung der Hüllkurve als auch über die Steuerspannung der Tastatur (Keyboard-Tracking 0-150%) gesteuert werden.

Der einzige zur Verfügung stehende Hüllkurvengenerator arbeitet mit ADSR-Charakteristik. Er ermöglicht sowohl eine separate Kontrolle des VCF als auch die gleichzeitige Steuerung von VCF und VCA. Da ein mit nur einem Oszillator pro Stimme versehener Synthesizer von Hause aus etwas dünn und kraftlos klingt, hat man dem Korg Polysix eine Effektsektion mit auf den Weg gegeben, mit der man den Grundklang verfeinern und beleben kann.

Die Effektsektion des Korg Polysix

Alle drei hier zur Wahl stehenden Effekte – Chorus, Phasing und Ensemble – lassen sich stufenlos in Geschwindigkeit bzw. Intensität regeln. Zwei Extras, die den Korg Polysix deutlichen von seinem damaligen direkten Konkurrenten, dem Roland Juno 60, unterscheiden, sind darüber hinaus die Betriebsarten Unisono und Chord Memory. Die Unisono-Funktion ermöglicht es, zwecks Erzeugung „fetter“ monophoner Sounds, alle 6 Oszillatoren des Synthesizers (die beim Anwählen dieser Betriebsart übrigens automatisch minimal gegeneinander verstimmt werden, um Schwebungen zu erzeugen) auf eine Taste zu legen. Die Chord Memory-Funktion gibt dem Anwender die Möglichkeit, einen von ihm selbst beliebig definierbaren, maximal sechsstimmigen Akkord durch Druck auf nur eine einzelne Taste abzurufen.

Umfangreicher Arpeggiator

Sehr vielseitig ist auch die Arpeggiator-Sektion des Korg Polysix. In der Geschwindigkeit stufenlos regelbar, ermöglicht sie Arpeggios, die sich über eine oder zwei Oktaven oder gar den ganzen Tastaturbereich erstrecken. Die Oktaven können dabei entweder von unten nach oben, oben nach unten oder alternierend (up/down) durchlaufen werden.

Ist zusätzlich die Latch-Funktion aktiviert, so läuft das Arpeggio auch dann weiter, wenn die Hände von den Tasten genommen werden. Drückt man dann aufs Neue eine oder mehrere Tasten, so wird aus diesen Noten ein neues Arpeggio gebildet. Was sich in der Praxis als etwas störend erweist ist die Wiederholung der höchsten und tiefsten Note um Up/Down-Modus. Ungeachtet dessen ist der Arpeggiator des Korg Polysix jedoch – nicht zuletzt aufgrund der Tatsache, dass er sich bei Bedarf über die Arpeggio Trig In-Buchse mit einem externen Sequenzer oder Rhythmusgerät synchronisieren lässt – selbst im Zeitalter der Computersequenzer noch ein Werkzeug, dass sich für die spielerische Entwicklung von Ideen gut geeignet ist.

Korg Polysix: Ausgeprägtes Gedächtnis

Der Korg Polysix bietet (wie bereits erwähnt) 32 Speicherplätze, die in 4 Gruppen à 8 Sounds organisiert sind. Der Synthesizer merkt sich sämtliche Reglerstellungen mit Ausnahme von Mastervolume, Tuning, Bend-Sensitivity und Arpeggio-Geschwindigkeit.

Eine schöne Demonstration der Flexibilität des Korg Polysix:

Der besseren Übersicht halber sind alle abspeicherbaren Regler mit grauen Knöpfen ausgestattet. Alle nicht speicherbaren Regler sind mit weißen Knöpfen versehen. Der Korg Polysix befindet sich immer Edit-Modus, sodass das Editieren eines Sounds ebenso einfach ist wie beim Prophet 5. Man dreht einfach an demjenigen Regler, dessen Wert verändert werden soll. Soll die editierte Version eines Sounds übernommen werden, so lässt sie sich nach dem Entsichern des Write-Schalters durch Drücken der Load-Taste, sowie dem Anwählen der entsprechenden Programmnummer abspeichern.

Der Sound des Korg Polysix

Obwohl er nur über einen Oszillator pro Stimme verfügt, ist der Klang des Korg Polysix wirklich erstaunlich. Dies ist sicher zum einen der Verdienst des zuschaltbaren Suboszillators. Zum anderen geht es aber wohl auf das Konto der integrierten Effektsektion, welche die Klangpalette des Gerätes doch erheblich bereichert.

Der Korg Polysix klingt vom Grundsound her etwas wärmer und voller als der Roland Juno 60. Misst man den Synthesizer gar an seinem großen (und zugegebenermaßen auch dreimal so teuren) Vorbild Prophet 5, so wird deutlich, dass seine klanglichen Möglichkeiten im Vergleich zum Prophet zum Teil doch erheblich eingeschränkt sind.

Features wie Crossmodulation, Synchronisationsmöglichkeit der Oszillatoren und Rauschgenerator fehlen. Auch die LFO-Sektion ist nur so eben mit dem Allernotwendigsten ausgestattet. Wer also wirklich ungehörte, neue, experimentelle Sounds sucht, der ist beim Korg Polysix sicher an der falschen Adresse. Dass der Korg Polysix dennoch ein durchaus ernstzunehmendes Instrument ist, beweisen seine Versionen von Streicher-, Orgel- oder Vibraphon-ähnlichen Klängen.

Ja trotz der im Grunde doch recht einfach gehaltenen Struktur seiner Klangerzeugung besitzt er doch aufgrund solcher Features wie Chord Memory oder dem Arpeggiator doch einen durchaus eigenständigen – in manchen Belangen sogar unverwechselbaren – Charakter. Seinem direkten Nachfolger, dem Korg Poly 61, ist er trotz der Tatsache, dass dieser zwei Oszillatoren pro Stimme bietet, meiner Meinung nach haushoch überlegen. Zum einen ist sein Klang wärmer und voller als der des Nachfolgemodells. Außerdem bietet er direkten und gleichzeitigen Zugriff auf alle Regler. Beim Korg Poly 61 muss man erst jeden Parameter erst anwählen, ehe man ihn verändern kann.

Auch lassen sich die Regler beim Korg Polysix entschieden nuancierter einstellen, da sie eine viel höhere Auflösung bieten. So stehen beispielsweise bei einem für den Gesamtcharakter eines Sounds so wichtigen Parameter wie der Filterresonanz beim Korg Poly 61 sage und schreibe nur 7 verschiedene Einstellungen zur Verfügung.